Die Zugfahrt
Die Fahrt nach Riga dauerte drei Tage. In jedem Wagon mit bis zu 65
Personen gab es einen Eimer mit Wasser und einen Eimer für die
Notdurft. Viele der Wagen waren auf diesem Transport unbeheizt, weil
ein Problem mit der Heizungsanlage bestand. Die Außentemperatur lag
weit unter null Grad. Häufig musste der Zug warten, um andere Züge mit
Wehrmachtsoldaten durchzulassen oder weil Reparaturarbeiten
durchgeführt werden mussten (Q2).
Als sie schließlich am dritten Tag kurz vor Mitternacht in Riga
ankamen, mussten sie bei minus zwanzig Grad Celsius noch bis zum
nächsten Morgen warten, bis der Zug ausgeladen wurde. Viele Kinder
hatten bereits zu diesem Zeitpunkt Frostschäden (Q1).
Vom Bahnhof in Skirotava mussten sie noch 2 km zu ihren Unterkünften im
Ghetto Riga laufen. Hilde Sherman beschreibt in ihrem Buch, wie diese
Situation für einen Familienvater verlaufen ist:
„... Ein Mann aus unserem Transport, ein Herr Meyer, der bei seiner
Frau stand und seine zwei kleinen Jungen von ungefähr drei und fünf
Jahren auf dem Armen trug, ging auf K. zu und fragte sehr höflich ‚Herr
Kommandant’, ist es sehr weit bis zum Ghetto?“. Statt jeder Antwort hob
K. seinen schwarzen Krückstock mit silbernem Knauf und schlug Herrn
Meyer damit ins Gesicht. Die beiden Kinder fielen auf den Boden, der
Schäferhund sprang Meyer an und riss ihn um. K., Gymnich [sein
Adjudant] und der Schäferhund drehten sich um, bestiegen ihr Auto und
fuhren davon. Herr Meyers Mund war eine blutige Masse, seine
Vorderzähne waren eingeschlagen.“ (Q6– S. 33).
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