Deportationen nach Riga am 10.12.1941

  Pos1  
       
Friedrich Bruckmann
+5.12.1944 Dachau
Jenny Bruckmann
verschollen Stutthof
Rosa Bruckmann
verschollen Stutthof
Emil Meyer
verschollen Stutthof
Gideon Meyer
für tot erklärt Riga
Grete Meyer
nach Goch zurückgekehrt
Edith Meyer
für tot erklärt Riga
Henriette Rosenbaum
verschollen Riga
Walter Valk
nach Goch zurückgekehrt
Erna Valk
nach Goch zurückgekehrt

Links

Quelle: Stadtarchiv Goch,
Ausschnitt aus dem Evakuierungsbescheid für die Deportation nach Riga,
Wiener Library, StA Goch, Karton J4 - Gestapo Akten

 

jDeportation von Düsseldorf ins Ghetto Riga


Am 10.12.1941 wurden 1941 wurden 10 jüdische Mitbürger aus ihren Wohnungen abgeholt und dann von zwei Polizisten zur Sammelstelle Düsseldorf gebracht.

  • Friedrich Bruckmann, Mühlenstraße 5 (43 Jahre)
  • Rosa Bruckmann, Mühlenstraße 5 (32 Jahre)
  • Jenny Bruckmann, Mühlenstraße 5 (39 Jahre)
  • Grete Meyer geb. Bruch, Mühlenstraße 5 (29 Jahre)
  • Emil, Mühlenstraße 5 bzw. Köln Unter-Kablenhausen 30, (41 Jahre)
  • Edith Meyer, Mühlenstraße 5, (4 Jahre)
  • Gideon Meyer, Mühlenstraße 5 (2 Jahre)
  • Henriette Rosenbaum, Bahnhofstraße 28 (47 Jahre)
  • Walter Valk, Herzogenstraße 36, (44 Jahre)
  • Erna Valk, Herzogenstraße 36, (36 Jahre)

Neben die hier genannten wurde eine weitere Gocherin von Kleve aus nach Riga deportiert, nämlich Hulda Koopmann. Aus Uedem wurde u.a. Selma, Ruth und Hilde Devries deportiert, die kurzzeitig in Goch gewohnt haben.

Ein Bericht von Erna Valk gibt wieder wie die Deportation ablief und wie das Leben im Ghetto Riga sowie später im KZ Stuttow aussah. Hier wir nun ein kleiner Ausschnitt wiedergegeben, der das Verfahren der Deportation beschreibt:

Am 10. Dezember 1941 wurde ich, weil Jüdin, zusammen mit meinem Manne evakuiert, d.h. wir wurden aus unserem Vaterlande vertrieben. Der in Goch tätige Kriminalbeamte Kamper, der im Auftrage der Gestapo „arbeitete“, holte uns morgens früh in der Wohnung ab, die er verschloss. Er hatte kein gutes Wort für uns übrig und brachte uns nach Krefeld zum Zuge nach Düsseldorf, wo wir in die Hände der SS kamen. Einen kurzen Leidensweg machten wir vom Bahnhof bis zur Schlachthalle Düsseldorf. Wir mussten mit unserem Gepäck ziemlich schnell laufen. Alte, Kranke, Kinder. Es gab Fußtritte. Die Düsseldorfer standen an den Fenstern und Türen und einige weinten. Die Schlachthalle nahm uns auf, wo wir zu einem Transport von 1000 gesammelt wurden. Wir standen in der nassen Halle, ca. 24 Stunden. Jeder einzelne wurde einer Leibesvisitation unterzogen, und es wurden ihm alle wertvollen Sachen, doppelte Leibwäsche und das gesamte Reisegepäck abgenommen, ebenso alle Papiere. Am anderen Morgen standen wir stundenlang an einem Düsseldorfer Güterbahnhof. Die Kinder lagen im Schnee und weinten. Endlich fuhr unser Extrazug ab nach Riga. Wir waren 3 Tage unterwegs in einem ungeheizten Zuge ohne Wasser und Verpflegung. Abends kamen wir in Riga an und wurden bei 40° Kälte erst am anderen Morgen ausgeladen – Skirotava Güterbahnhof. Viele, besonders Kinder, hatten schon von dieser Nacht Frostschäden..." Quelle: Erna Valk: Meine Erlebnisse in der Zeit vom 10.12.1941 bis zum 30.06.1941.

Quelle: Erna Valk: Meine Erlebnisse in der Zeit vom 10. Dezember 1941 bis 30 Juni 1945 in: The Wiener Library, Ghetto Riga und Konzentrationslager Stutthof P.III. No. 367

 

 

 

Ein Dokument der Unmenschlichkeit

 

Insgesamt umfasste der Transport 1007 niederrheinische Juden. In einem Fernschreiben der Staatspolizeihauptstelle Düsseldorf an Eichmann und an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheisdienstes in Riga, Dr. Lange über, in dem die Abfahrt des Transportes berichtet wird, befindet sich auch ein Bericht über die Geschlechts-, Alters und Berufsgliederung der Deportierten, das Alois Puyn in seinem Artikel "Dokument der Unmenschlichkeit" ausführlich berschreibt. Gemäß der deutschen Ordnungsliebe wurde die Juden in Fünferpäckchen wie "Schlachtvieh" gezählt.

 

Geschlechtergliederung
Quelle: Alois Puyn, Dokument der Unmenschlichkeit, Transportbericht über „Evakuierung“ niederrheinischer Juden tauchte auf, in: Kalender für das Klever Land, 1985, S. 17-19.
Männer:
416
Frauen:
591
 
1007
 
Altersgliederung
1-6 Jahre
41
6-14 Jahre
62
14-18 Jahre
62
18-50 Jahre
408
unter 50 Jahre
434
 
1007
 
Berufsgliederung
Akademiker
3
selbst. Kaufleute
30
Angestellte
22
Handwerker
137
Arbeiter
247
landw. Berufe
7
Hausangestellte
40
ohne Beruf
521
 
1007

Alois Puyn weist darauf hin, dass die Berufsstatistik die häufig gebrauchte Propagande der Nationalsozialisten widerlege, "Juden lebten vorwiegend vom Handel und überließen es anderen, sich die Finger schmutzig zu machen, (S. 19)". Von den 127 Deportierten waren nur 30 Kaufleute und immerhin 137 Handwerker. Zu beachten ist allerdings, dass diese Statistik nicht die wirkliche Berufsstruktur widerspiegelt. Viele Kaufleute haten ihre Geschäfte zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben. Friedrich Bruckmann, der eine eigene Bäckerei besessen hatte, wird in der Deportationsliste als Lederarbeiter aufgeführt. Ebenso wird Walter Valk als Arbeiter in einer Farbenfabrik aufgelistet. Tatsächlich war er Kaufmann und hatte er vor 1938 ein Konfenktionsgeschäft am Gocher Markt. Beide werden in der Statistik somit als Arbeiter aufgeführt, obwohl sie vor den Boykotts oder Zwangsverkäufen als Kaufleute bzw. Handwerker gearbeitet haben. Aber selbst wenn eine geringe Umverteilung aus dem Bereich Arbeiter in die Bereich selbstständige Kaufleute und Handwerker für die Zeit vor 1938 angenommen werden kann, so bleibt der Kern der Aussage jedoch richtig. Außerdem ist zu beachten, dass dieser Propagandaspruch jeglichen geschichtlichen Hintergrund ignoriert. Immerhin war es den Juden ca. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts durch die christlichen Zünfte verboten in handwerklichen Berufen zu arbeiten. Erst durch die tolerante Religionspolitik Napoleons wurden in den von ihm besetzten Gebieten Lockerungen in den Zugangsmöglichkeiten zu Handwerksberufen erreicht. Allerdings haben sich viele christliche Zünfte auch im 19. Jahrhundert noch lange gegen die Aufnahme von Juden in den diversen Berufsbereichen gesträubt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass den Juden das Handwerk und der Erwerb landwirtschaftlichen Besitzes verschlossen bzw. verboten war. Es war also keine freiwillige Entscheidung im kaufmännischen Bereich tätig zu sein. Vielmehr war dieses Arbeitsfeld eine Nische in der Juden einen Tätikeitsbereich fanden, der ihnen nicht verwehrt wurde.

Nicht nur das oben aufgeführte Berichtsblatt, sondern auch der Transportbericht an sich zeigen weitere Spuren der Unmenschlichkeit. So wird beispielsweise über einen Reichsbahnbeamten berichtet, dem die Juden leid taten und der das Begleitpersonal seine Verachtung deutlich spüren ließ. Wahrscheinlich wollte man den Beamten durch die Erwähnung in einem derartigen Bericht schaden. Weiterhin beschwert man sich über einzelne Männer des Begleitkommandos, die er zu "schärferem Verogehen gegen Juden, die meine erlassenen Verbote zu überteten glaubten, anhalten musste". Am Ende des Berichts wird erwähnt, dass unter den 360.000 Einwohnern Rigas 35.000 Juden wohnten. Es wird bemerkt, dass bei der Ankunft des Zuges im Ghetto aber nur noch 25.000 Männer als Arbeitskräfte dort gewesen seien. "Die übrigen Juden sind einer anderen zweckentsprechenden Verwendung zugeführt bzw. von den Letten erschossen worden..."

Erna Valk äußert sich dazu folgendermaßen:

SS-Posten brachten uns in das Ghetto-Riga. Das war ein Stadtviertel, worin früher die Verbrecherwelt gewohnt hatte und wo man später sämtliche Juden Rigas zusammengepfercht hat. Einige Tage vor unserem Einzug in das Ghetto wurden diese dort umgebracht. Es waren mehr als 24.000. Das Blut lag noch auf der Straße und wir dachten, dass uns dasselbe Los beschieden wäre. Doch uns sollte man nach Goebbels´ Äußerung langsam eingehen lassen wie Blumen, denen man kein Wasser gibt. Die Wohnungen, in die wir hineingetrieben wurden, waren in einem fürchterlichen Zustande, ähnlich denen nach einem Bombenangriff. So hatte die SS dort gehaust. Alles Wertvolle hatten sie geraubt. Die Schränke waren umgeworfen und alles lag durcheinander. Das gefrorene Essen stand auf dem Tisch, so wie die Menschen ihn verlassen hatte, als die Mörder kamen.

Quelle: Erna Valk: Meine Erlebnisse in der Zeit vom 10. Dezember 1941 bis 30 Juni 1945 in: The Wiener Library, Ghetto Riga und Konzentrationslager Stutthof P.III. No. 367

 

Leben und Arbeiten im Ghetto Riga


Erna Valk berichtet ausführlich über das Leben im Lager

!Wir suchten und fanden in Abfallgruben gefrorene Kartoffeln und Möhren, die wir uns kochten. Hunger war schon groß und trieb´s herein. Die ersten 8 Tage  keine Lebensmittelzuteilung und das, war wir essen mussten füttert man hier nicht den Schweinen. Später bekamen wir 230 gr. Brot täglich und etwas Nährmittel. ...

Bald wurden alle Männer abtransportiert in ein ausgesprochenes Vernichtungslager, 18 km von Riga entfernt, Salapils. Ganz wenige, darunter mein Mann, kamen nach 7 Monaten in erschreckendem Zustande ins Ghetto zurück. Die anderen waren teils erfroren teils an Typhus gestorben, teils erschossen oder erhängt worden, meist wegen Tauschhandels mit Letten, denn, wer nicht sein Letztes vertauschte gegen ein Stück Brot, starb Hungers – die Frauen des Ghettos gingen auf Arbeitskommandos und zwar zum Schneeschüppen, in Fabriken und Wehrmachtsbetrieben. Sie kamen zu Teil mit Letten in Berührung, welche nach Sachen von den getöteten Juden fragten. Sie konnten alles gebrauchen, denn das reiche Lettland war durch die Deutschen vollkommen ausgeplündert worden. Was nun im Ghetto an Sachen herumlag, wurde morgens mit zur Arbeitsstelle genommen. Die Letten nutzten den Hunger der Juden aus und gaben ihnen Brot und Nährmittel in kleinen Mengen. Abends wurden die ins Ghetto hereinkommenden Kolonnen von der SS kontrolliert. Fand man bei jemandem Lebensmittel, so kostete das Leben. Täglich wurden Frauen oder Mädchen erschossen und Männer erhängt. Das war die Beschäftigung des Kommandanten, SS-Obersturmführer Krause, später Roschmann und Gimmlich. Der Galgen stand in der Mitte des Ghettos, und wenn wir abends todmüde von der Arbeit kamen, wurden wir dorthin geführt, um die Erhängten zu sehen. Doch auch dieser furchtbare Anblick durfte uns nicht entmutigen, weiter zu tun, was verboten war. – Ich hatte ein schweres Arbeitskommando, 4 Stunden zu laufen hin und zurück. Ich arbeitete in einer lettischen Fabrik, die alle Arten frischer Felle vom Schlachthof bekam. Diese mussten gereinigt, sortiert, gezählt gewogen und auf Stapel gearbeitet, d.h. gesalzen werden, was eine Spezialarbeit darstellt. Ich galt schließlich als gelernte Arbeiterin und verdiente 32 Pfennig pro Stunde. Unsern Verdienst bekam die SS, die dem Ghetto dafür die Lebensmittel kauften. Sie bestanden aus den minderwertigsten Sachen wie z.B. als Fisch Stichlinge oder Fischköpfe, als Gemüse Rhabarberblätter und verdorbenes Sauerkraut. Bewacht wurden wir im Ghetto von lettischen SS-Posten, die nachts in die Wohnung der alleinstehenden Frauen eindrangen und sie oder sogar Kinder in der gemeinsten Weise vergewaltigten."

Quelle: Erna Valk:
Meine Erlebnisse in der Zeit vom 10. Dezember 1941 bis 30 Juni 1945 in: The Wiener Library, Ghetto Riga und Konzentrationslager Stutthof, P.III. No. 367

 

 

 

 

 

 

Dateiname: Deportation2.htm
Datum: 23.03.2011
Erstellt von: Ruth Warrener
Fotografien: Stadtarchiv Goch