Aus Kindern werden "Juden"
Nachdem
die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, veränderte sich sehr
viel für die jüdischen Familien in Goch. Bereits im April 1933 gab es
einen großen Boykott jüdischer Geschäfte, davon war auch das
Konfektionsgeschäft Koopmann betroffen. Obwohl dieser deutschlandweite
Boykott nach wenigen Tagen beendete wurde, gab es weiterhin
Schwierigkeiten für jüdische Geschäftsinhaber. Vor den Geschäften
standen Mitglieder der SA oder Hitlerjugend mit Schildern. Auf denen
stand z.B. "Kauft nicht bei Juden!". Kunden, die in jüdischen Geschäften
einkauften, wurden beschimpft und oft fotografiert. Im Laufe der Zeit
kauften immer weniger Kunden Waren in jüdischen Geschäften.
Auch in der Schule kam es zu Veränderungen. Jüdische Schüler
wurden
beispielsweise vom Biologieunterricht ausgeschlossen, wenn dort das
Thema "Rassenlehre" anstand. Die Bücher wurden im Laufe der Zeit
ausgewechselt und im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie
verändert. In allen Büchern fanden sich Texte, die sich gegen Juden
richteten.
Kurts Schwester Ellen erhielt 1934 ein Verbot, weiterhin bei
öffentlichen Auftritten mitzuwirken. Die Schulleiterin Anna Flies
setzte sich für Ellen ein und wies daraufhin, dass Ellen ein „Mischling“ sei.
Außerdem zeigte sie auf, dass die Teilnahme durch bestimmte Gesetze
gerechtfertigt sei. Sie erhielt folgende Antwort:
„Es entspricht
dem Empfinden weiter Volkskreise und vor allem jedes
Nationalsozialisten, dass Nichtarier von allen deutschen
Veranstaltungen ausgeschlossen werden. … Ich bitte Sie dringend, dafür
zu sorgen, dass in Zukunft sowohl dem Volksempfinden als auch dem
Willen des Führers unbedingt entsprochen wird und dass bei eventuellen
späteren ähnlichen Veranstaltungen nur mehr deutsche Kinder
Berücksichtigung finden [3].“
Im Autrag des Ortsgruppenleiters Ernst Salzmann
vom Ortsgruppenführer des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB),
Herrn Wagner,
übermitteltes Verbot eines Auftritts "nicht arischer Kinder".
(B1)
Die gesetzliche Grundlagen spielten, wie
das Beispiel zeigt, keine Rolle mehr. Wichtiger war der „Wille des
Führers“.
Zwischen 1934 und 1935 verließen in dieser Region fast alle
jüdischen Schüler
die öffentlichen Schulen [4],
Dies war auch bei den Hoffmanngeschwistern der Fall. Johanna zog 1935 nach Berlin [5], um dort eine höhere
Handelsschule zu besuchen. Kurt zog nach Willebadessen [6], vermutlich
ebenfalls, um eine Ausbildung zu machen. Ellen verzog 1937 nach
Düsseldorf.
Ellen Hoffmann 4. v. l
mit Mitschülerinnen
auf dem Dach des Gebäude A der Gesamtschule Mittelkreis (1932)
damals Mädchen Mittelschule Goch
(von links: Maria Sülzen, Magda Janßen, Anne Flaswinkel,
Ellen Hoffmann, Lieschen Horstman, Herta Lohmeyer )
(B1)
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