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Rede - Gesamtschule Mittelkreis - 7e
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Johanna Wunder Hoffmann |
Ellen van Leeuwen Hoffmann |
"Die Koopmannmädchen", so wurden Ellen und Johanna in Goch genannt. Eigentlich war ihr Nachname Hoffmann. Der Spitzname leitete sich vom Nachnamen ihrer Großmutter ab. Sie besaß das große Kaufhaus Koopmann in der Voßstraße. Johanna und Ellen wohnten mit ihren Eltern über dem Kaufhaus.
Beide "Koopmannmädchen" besuchten seit Ende der 20er-Jahre die
Mädchenmittelschule. Im September 1930 zog die Mädchenmittelschule in
das neu erbaute Gebäude am Südring ein. Im heutigen Gebäudetrakt A
befand sich die Mädchenmittelschule und im C-Trakt das Realprogymnasium
Als Hitler und die NSDAP 1933 an die Regierung kamen, war
Ellen gerade 14 und Johanna 15 Jahre alt geworden. Schnell merkte man,
dass für jüdische Familien nun eine neue Zeit angebrochen war.
Sowohl im öffentlichen Raum als auch in der Schule wurden Juden
zunehmend ausgegrenzt und entrechtet.
Die Mädchenmittelschule war von dieser antijüdischen Stimmung ebenfalls
betroffen:
All diese Maßnahmen müssen dazu geführt haben, dass sich Ellen und
Johanna in der Schule ausgegrenzt, herabgesetzt und verspottet fühlten.
Aber ein einschneidendes Ereignis im September 1934 führte beiden vor
Augen, dass es immer noch schlimmer kommen kann.
Am 27. September fand auf dem Viktoria Sportplatz das Fest der
deutschen Schule statt. Alle Eltern und Schüler sowie die
Verwaltungsspitze der NSDAP nahmen teil. Die beiden Oberklassen der
Mittelschule zeigten einen Elsässer Volkstanz. An dieser Tanzvorführung
nahm auch Ellen teil.
Diese Teilnahme sollte Folgen haben. Ernst Salzmann, der
Ortsgruppenleiter der NSDAP in Goch, hatte mitbekommen, dass Ellen
Jüdin war und beschwerte sich anschließend beim Leiter des
nationalsozialistischen Lehrerbundes. Er schrieb:
Die Schulleitern Anna Flies versuchte sich für Ellen in einem langen
Brief einzusetzen, aber es half nicht.
Der Leiter des nationalsozialistischen Lehrerbundes teilte ihr
abschließend mit:
"Die mir unterbreiteten Gründe, denen Sie die Berechtigung zu entnehmen glaubten, die Schülerin Hoffmann bei der Aufführung des Volkstanzes mitwirken zu lassen, können nur zum Teil gewürdigt werden. Es entspricht dem Empfinden weiter Volkskreise und vor allem jedes Nationalsozialisten, dass Nichtarier von allen deutschen Veranstaltungen ausgeschlossen werden.
Dem Wunsche des Führers und seines Stellvertreters, dem Judentum gegenüber in jeder Weise die allergrösste Zurückhaltung zu üben, hätte auch in diesem Falle unbedingt Rechnung getragen werden müssen. "
Von diesem Zeitpunkt an, durfte Ellen nicht mehr öffentlich auftreten.
Nicht allein Gesetze, sondern "das Empfinden weiter Volkskreise" sowie
der "Wunsch des Führers" bestimmten, was in Zukunft mit den Juden
geschehen sollte..
Am Ende des Schuljahres musste Ellen die Mädchenmittelschule verlassen.
Wie ihre beruflichen Pläne ausgesehen haben, wissen wir nicht.
Vielleicht träumten sie davon, Abitur zu machen und zu studieren. Nun
war dies alles nicht mehr möglich.
Ellen wurde 1943 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Ende 1944 kam
sie ins Konzentrationslager Auschwitz und musste dort harte
Zwangsarbeit unter schlimmsten Umständen ertragen. Sie verstarb 1945 im
Alter von 26 Jahren auf einem der sogenannten Todesmärsche von
Auschwitz nach Bergen-Belsen.
Johanna kam 1943 für ein Jahr als politische Gefangene in ein Berliner
Gefängnis. Im Januar 1944 wurde sie ins KZ Ravensbrück deportiert, wo
sie ebenfalls Zwangsarbeit leisten musste. Obwohl die Überlebenschancen
dort nicht groß waren, hatte sie großes Glück, als sie im April 1944 im
Rahmen einer Rettungsaktion des Roten Kreuzes nach Schweden gebracht
wurde. Sie überlebte den Holocaust und verstarb erst 2006 im Alter von
89 Jahren in Düsseldorf.
Die Veränderungen an der Mädchenmittelschule und in Goch zu
erleben, war für Johanna und Ellen nicht einfach. Viele ehemalige
Freundinnen wandten sich von ihnen ab, um nicht als "Judenfreundin"
gehänselt zu werden.
Aber nicht jeder hat mitgemacht! Ellens Freundin Magda Janssen hat sich
nicht einschüchtern lassen. Weil sie weiterhin mit Ellen befreundet
blieb, versuchte man sie sogar mit dem Ausschluss des Bruders aus der
Hitlerjugend unter Druck zu setzen. Aber Magda gab nicht nach und blieb
mit Ellen befreundet.
Magdas Verhalten zeigt einen außergewöhnlichen Mut und große
Zivilcourage. Wie viel leichter wäre es für sie gewesen, dem Druck der
Mehrheit nachzugeben, einfach wegzusehen, mitzumachen und sich keine
Feinde zu schaffen.
Aber Magda ist nicht den leichten Weg gegangen, sondern hat zu ihrer
Freundschaft mit Ellen gestanden. Sie hat riskiert, ebenfalls
verspottet und ausgegrenzt zu werden. Magda hat es gewagt, nicht "JA"
zu schreien sondern "NEIN" zu sagen.
Diesen Mut und diese Zivilcourage wünschen wir euch allen.
Haltet zu euren Freunden. Schaut nicht weg, wenn jemand gemobbt oder
gehänselt wird.
Habt den Mut ebenfalls "NEIN!" zu sagen.
Stolpersteine in Goch |
Stolpersteine-Gruppe1 auf einer größeren Karte anzeigen |
Stolpersteinverlegung Johanna und Ellen Hoffmann Leeger-Weezer-Weg Gesamtschule Mittelkreis |
Stolpersteinprojekt
des Künstlers Günther Demnig |
Der Künstler Gunter Demnig hat das Stolpersteinprojekt ins Leben gerufen. Er möchte an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, indem er vor ihren letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Stolpersteine wurden bereits in mehr als 500 Orten Deutschlands und in mehreren andern europäischen Ländern verlegt. |
Dateiname: |
goredgem01.html |
Datum: |
08.06.14 |
Erstellt von : |
R. Warrener |
Text von: |
R. Warrener |
Fotografien: |
(B4) Fotoammlung Warrener |