Besuch von Jerry Weltsch in Goch
Anlässlich der Ausstellung „Flucht und Vertreibung jüdischer
Bürger in Goch“ besuchte Jerry Weltsch aus Los Altos, Kalifornien, am
25. November 2015 Goch.
In der Ausstellung wird unter anderem das Leben der Vorfahren
von Jerry Weltsch sowie die Flucht seiner Großeltern Otto und Ilse
Hertz dargestellt. In der Reichspogromnacht wurde das seit 1863 in
Familienbesitz befindliche Geschäft in der Mühlenstraße zerstört und
geplündert. Otto Hertz wurde verhaftet und nach Dachau deportiert. Sein
bereits nach Cuba geflüchteter Bruder Paul besorgte ihm unverzüglich
ein Visum. Nach dessen Ankunft fuhr die Haushälterin der Familie, Ilse
Isaak, persönlich nach Dachau, um Otto mit Hilfe der
Auswanderungspapiere schnellstens aus dem Konzentrationslager zu
befreien. Drei Wochen nach seiner Verhaftung kehrte er krank und von
den Strapazen gezeichnet nach Goch zurück. An Silvester machte Otto
Hertz Ilse Isaak einen Heiratsantrag. Die Hochzeit fand Ende Januar in
Goch statt. Nachdem Otto von einem Freund eine Warnung bezüglich einer
bevorstehenden erneuten Verhaftung erhielt, bestieg er drei Wochen nach
seiner Hochzeit in Rotterdam ein Schiff Richtung Cuba. Ende Mai 1939
befand sich auch Ilse auf einem Schiff namens Orinoco, das sie nach
Cuba zu ihrem Ehemann bringen sollte. Auf der Höhe von Cherbourg wurde
das Schiff nach Deutschland zurückbeordert. Cuba hatte einen
Aufnahmestopp für Flüchtlinge verhängt. Vor der Rückkehr nach Hamburg
spielten sich vor Cherbourg dramatische Szenen ab. Jüdische Passagiere
sprangen aus Verzweiflung ins Wasser. Ilse musste zu ihrer Mutter nach
Aschaffenburg zurückkehren. Im März 1940 gelang ihr eine abenteuerliche
Flucht, die über die Schweiz nach Italien und schließlich nach Chicago
führte, wo sie ihren Ehemann Otto wieder traf. Später zog das Paar nach
San Francisco. Sie hatten zwei Töchter und fünf Enkelkinder. Otto Hertz
wurde 104 Jahre alt und verstarb 2008. Seine Frau Ilse verstarb 2007 im
Alter von 90 Jahren.
Nach dem Besuch der Ausstellung besuchte Jerry Weltsch den jüdischen
Friedhof an der Kalkarer Straße, auf dem zahlreiche Vorfahren bestattet
wurden. Im Anschluss daran machte er mit Ruth Warrener,
Geschichtslehrerin an der Gesamtschule Mittelkreis, einen Rundgang
durch Goch auf den Spuren jüdischen Lebens in den 30er-Jahren. Im Juni
2016 möchte Jerry Weltsch mit weiteren Familienmitgliedern zur
Verlegung von Stolpersteinen für seine Familie zurückkehren.
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