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Rede - Infoblatt Hubert Kleintjes

Text: R. Warrener

Hubert Kleintjes
Hubert Kleintjes
(B2)

Gocher Euthanasieopfer


Die nationalsozialistische Rassenpolitik richtete sich nicht nur gegen jüdische Opfer, Sinti und Roma, sondern auch gegen behinderte und chronische kranke Menschen. Das Recht auf Menschenwürde, galt in dieser Zeit nur für "starke, gesunde arische Menschen". Alle Anderen wurden als "minderwertig" bezeichnet. Ihnen wurde das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Leben genommen. Die Nationalsozialisten sprachen von "unwertem Leben" und glaubten sich im Recht, wenn sie tausende behinderte und kranke Menschen zwangssterilisierten und töteten.


Zu ihren Opfern zählten auch Hubert und Anton Kleintjes. Sie stammten beide aus Goch und waren Vettern. Beide hielten sich in den 30er Jahren in der Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau auf.


Am Beispiel von Hubert Kleintjes lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie schnell man im Spinnennetz der nationalsozialistischen Psychiatrie hängen bleiben konnte. Hubert Kleintjes fiel das Lernen stets schwer. Er musste in der Volksschule ein Jahr wiederholen. Nach der Schule arbeitete er bei den Gocher Margarinewerken. Dort wurde er nach eigener Aussage entlassen, weil er "frech" geworden war.


1934 war Hubert 27 Jahre alt. Er lebt mit seinen acht Geschwistern und seinen Eltern in der Hubertusstraße 2 (heute 20). Sein Vater Heinrich Kleintjes war Zigarrenmacher und hatte nicht viel Geld. Die beengten familiären Verhältnisse und die lange Arbeitslosigkeit ließen ihn frustriert und aggressiv werden. Schließlich wurde er am 3.6.1934 in die Heil- und Pflegeanstalt Bedburg-Hau eingewiesen. Der untersuchende Arzt konnte keine Affekt- oder psychotischen Störungen feststellen. Trotzdem verblieb Hubert Kleintjes in der Klinik. Anfang August stellt der Direktor der Heil- und Pflegeanstalten einen Antrag auf "Unfruchtbarmachung". Auf der Grundlage dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" durften die Patienten nicht entlassen werden, wenn eine Anzeige auf Erbkrankheit vorlag. Hubert Kleintjes wehrte sich mit Händen und Füßen gegen diese Maßnahme. Er erhob Einspruch gegen die Sterilisation. Drei Mal wurde er zwischen Oktober und Dezember 1934 vom Erbgesundheitsgericht in Kleve vernommen. Am 12. Dezember 1934 lehnte das Gericht die Unfruchtbarmachung von Hubert Kleintjes ab.


Das Gericht begründete seine Ablehnung damit, dass bei Hubert Kleintjes keine psychotischen Zeichen festgestellt wurden. Seine gelegentlichen Verstimmungen vor der Einweisung seien im Hinblick auf die lange Erwerbslosigkeit und die beengten familiären Verhältnisse verständlich. Auch die Haltung und Stimmungsschwankungen in der Klinik seien in soweit natürlich, so dass das Gericht keinen angeborenen Schwachsinn in Sinne des Gesetzes annehmen könne.


Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Urteils wandten sich die Direktoren der Heil- und Pflegeanstalt an das Erbgesundheitsgericht in Düsseldorf. Dieses hob den Beschluss des Klever Gerichts auf und ordnet die Unfruchtbarmachung an. Plötzlich erschien in der Krankenakte die Diagnose "angeborener Schwachsinn", um damit die Sterilisation zu rechtfertigen. Die Schizophreniekrankheit seines Vetters Anton diente als Begründung dieser Maßnahme.


Mehrmals gelang es Hubert Kleintjes noch die Sterilisation aussetzen zu lassen. Am 14. August 1934 wurde er schließlich doch noch zwangssterilisiert. Die Eintragungen der Krankenakte zeigen, wie sehr er unter diesem Eingriff gelitten hat. Sein Verhalten wurde zunehmend aggressiver und depressiver. Es dauerte noch fünf Jahre, bis er die Heil- und Pflegeanstalt Bedburg Hau verlassen konnte.Hubert Kleintjes wurde jedoch nicht in die Freiheit entlassen, sondern am 26.3.1940 in einem Zug mit zahlreichen anderen Patienten in die Tötungsanstalt Brandenburg gebracht und dort vergast. Im gleichen Zug befand sich auch sein Vetter Anton Kleintjes. Hubert war 32 und Anton war 35 Jahre alt, als sie in Brandenburg ermordet wurden.


Bisher konnte für 26 Gocher belegt werden, dass sie im Rahmen des Euthanasieprogramms gestorben sind. Die Todesdaten, Sterbeorte und das Alter weitere damaliger Gocher im Anstaltsverzeichnis der Stadt Goch weisen darauf hin, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher sein könnte.


Interessierte Familien, die überprüfen wollen, ob ein Familienmitglied zu den Gocher Euthanasieopfern gehört, können sich im Stadtarchiv Goch oder bei der Stolpersteininitiative melden.


R. Warrener


Infos
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Stolpersteinverlegung
Hubert Kleintjes
Hubertusstraße 20
Hubertusstraße 20 - Hubert Kleintjes - Klasse 6e Gesamtschule
Stolpersteinverlegung  Hubert Kleintjes


Stolpersteinprojekt des Künstlers Günther Demnig

Stolperstein Selma Devries

Der Künstler Gunter Demnig hat das Stolpersteinprojekt ins Leben gerufen. Er möchte an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, indem er vor ihren letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Stolpersteine wurden bereits in mehr als 500 Orten Deutschlands und in mehreren andern europäischen Ländern verlegt.

weitere Informationen...






Dateiname:
gored091214_KleintjesH2.html
Datum:
01.01.15
Erstellt von :
R. Warrener
Text von:
R. Warrener
Fotografien:

  Simon Kersjes - Klasse 6e
(Bildquelle: BArch R 179/3361 Hubert K. )