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Rede - Hubert Kleintjes - Hubertusstraße 18
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HUBERT KLEINTJES JG. 1907 EINGEWIESEN 1934 HEILANSTALT BEDBURG 'Verlegt' 26.3.1940 BRANDENBURG ERMORDET 26.03.1940 AKTION |
In diesem Jahr jährt sich sein Todestag fast das 75. Mal. Ich bin mir sicher, dass er sich gefreut hätte, wenn er wüsste, dass heute seiner gedacht wird.
Zu diesem Gedenken in Form des Stolpersteins haben viele ganz unterschiedliche Personen beigetragen, die es mir und uns leicht gemacht haben, ein Gedenken in dieser besonderen Form für Hubert zu gestalten.
Bevor ich über dem Weg des Erinnerns, die Verschleppung und
das Leben von Hubert etwas berichte, möchte ich den Personen danken,
die das Gedenken heute ermöglichen.
Dank an den Kölner Bildhauer Gunter Demnig, der hinter der
Idee zu den Stolpersteinen steht, die Mitarbeiter der Stadt Goch, die
heute die Stolpersteine verlegen, die Stolpersteininitiative Goch,
allen voran Frau Warrener, der mein besonderer Dank gilt für die
Vorbereitung der Veranstaltung heute. Hier seien auch Herr Koepp
und Frau Antonie Wouters vom Stadtarchiv Goch erwähnt.
Durch die Vorarbeiten/Wegbereitungen ist es für mich als Angehörige
leicht, "nur noch alle zusammen zurufen und zum Gedenken einzuladen.
Zunächst mein Onkel Anton, der bei meinen Ahnenforschungen berichtete,
dass Hubert "abgeholt wurde". Über Herrn Anton Terpoorten habe ich
viele Totenzettel von der Familie bekommen. (unter anderem auch von
einem Anton Kleintjes, was mir damals noch nichts sagte, dazu komme ich
gleich noch). Herr Terpoorten war der Mann von Alwine, der Tochter von
Agnes, einer älteren Schwester von Hubert.
Die Recherche reicht über Michaela Schmitz vom LVR-Archiv in Pulheim, als zuständige Stelle des LVR Bedburg Hau. Hier sei das Buch von Sigrid Falkenstein, einer anderen Angehörigen eines Euthanasieopfers, über Anna Lehnkering erwähnt, das Bezug nimmt auf das Leben ihrer Tante, die in Bedburg Hau einsaß.1 Auch ihr gilt unbekannterweise mein Dank.
Dieses Buch über Annas Leben erschien im Jahr 2012 und ist also gerade mal 2 Jahre alt. Hier ist auch die Rede von einer Veränderung der Haltung der Ärzte in Bedburg Hau und die Mitarbeit zur Aufarbeitung. Ich hätte nicht die Geduld besessen wie Frau Falkenstein, über Jahre immer wieder in Bedburg nach den Akten zu fragen. Für mich ist es heute leichter, da ich direkt an Informationen kam und Hilfe für die Recherche bekommen habe.
Über Cornelia Niersmann, Sekretärin der Ärztlichen Direktorin des LKH von Bedburg Hau, Frau Dr, Brill, erhielt ich die "Abgangsdaten", also die Transportnummer von Hubert, mit dem Hinweis auf den Transport nach Hartheim Österreich.
Herr Eigelsberger von der Dokumentationsstelle Hartheim hat durch seine Hinweise den Weg der Recherche schnell in eine günstige Richtung gelenkt.
So ist klar, dass die Verschleierungstaktik der Nazis im Zusammenhang mit der sogenannten "T4" Tötungsaktion (so wird die Tötung von Euthanasieopfern genannt) dazu führte, dass Akten "getauscht" wurden, um Angehörige und Öffentlichkeit zu täuschen.
Tatsächlich wurde Hubert nach Brandenburg an der Havel
verbracht und dort getötet.
Im Bundesarchiv Berlin ist die Krankenakte meines Großonkels erhalten
geblieben. Es sind insgesamt ca. 30.000 Krankenunterlagen der über
70.000 Opfer der "Aktion T4" erhalten geblieben und befinden sich heute
im Bundesarchiv Berlin. Diese konnte tatsächlich angefordert werden.
Hier befand sich auch das Foto von Hubert, das wir hier heute mithaben.
Wie zeitlich nah alles sich günstig zusammenfügt zeigt auch, dass die Gedenkstätte in Brandenburg an der Havel, in der Huberts Namen erwähnt wird, auch erst seit 2012 geöffnet hat.
Ja - die Krankenakte. Frau Warrener von der Stolpersteininitiative Goch und Lehrerin an der Gesamtschule Goch fragte mich, ob ich auch einen Anton Kleintjes kenne. Mir fiel der vorhin schon erwähnte Totenzettel ein, den ich bisher nicht zuordnen konnte. Aus der Krankenakte geht eindeutig hervor, dass Anton Kleintjes ein Cousin von Hubert war, der ebenfalls in Bedburg Hau war und mit Hubert in Brandenburg getötet wurde. Auch diese Akte konnten wir im Bundesarchiv einsehen. Die Stolpersteinverlegung für Anton wird heute um 10.45 stattfinden.
Soweit zur Zusammenführung von Fakten aus den Akten und der
Nachforschung.
An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Worte über Hubert sagen. Viel wissen wir nicht von ihm, das meiste ist aus der Akte zusammengetragen.
Hubert war kein guter Schüler, hat in der Volksschule eine Klasse wiederholt, dann in der "Margarine"* gearbeitet. In der Akte steht, er wurde als "frech" entlassen. War er also zu aufmüpfig? Was das zu bedeuten hat ist unklar, jedoch ist gewiss, dass die beengten Verhältnissen zuhause, die Arbeitslosigkeit, die vielleicht depressive Mutter ein Umfeld geschaffen haben, das keine ruhige, förderliche Umgebung war.
Die Umstände, unter denen Hubert nach Bedburg Hau eingeliefert
wurde, bleiben unklar. Ob die Nachbarn sich beschwert haben, er
auffällig geworden ist oder und die Angehörigen sich genötigt
sahen, einer Einweisung ins Landeskrankenhaus zuzustimmen, kann heute
nicht mehr geklärt werden.
Die Diagnose lautete Schizophrenie. Frau Warrener erklärte mir, dass
diese Diagnose damals nicht auf Erkenntnissen fußte, sondern quasi
häufig als Krankenbezeichnung benutzt wurde. **
Im LKH hat Hubert auch gearbeitet.
Bedeutsam ist für mich vor allem, dass sich Hubert mit Händen und Füßen gegen die Zwangssterilisation gewehrt hat. Die Akten zeigen, dass in Huberts Fall auch die Ärzte und die Richter zunächst überzeugt waren, dass eine Sterilisation "nicht nötig" sei. Eine weitere Aussetzung der Sterilisation hat er noch erreichen können. Dann wurde sie doch durchgeführt.
Welchen Mut und Courage das erfordert haben muss und welche
Ohnmachtsgefühle da waren angesichts der Hoffnungslosigkeit, in diese
Maschinerie geraten zu sein, kann ich nur mutmaßen. Das Grauen, was ihm
und anderen noch angetan wurde, kann ich mir nicht einmal annähernd
vorstellen.
Die Auswirkungen auf die Familie bleiben unklar, jedoch ist auch eine
Schwester noch im Krieg an "Schwermut" gestorben.
„Nur wer vergessen wird, ist wirklich tot“ Es ist an meiner
Generation, die Aufarbeitung zu leisten.
Danke, dass wir hier gemeinsam gedenken können. Im Evangelischen
Gemeindezentrum werden noch der Totenzettel von Hubert, sein Bild, die
Akte und das Buch aus der Gedenkstätte Brandenburg an der Havel
ausliegen. Wer noch mehr sehen oder lesen möchte, kann dort gerne
Einsicht nehmen.
* Magarinewerke in Goch
** Bei der Eingangsuntersuchung
wurde dokumentiert, dass Hubert Kleintjes depressiv sei, eine sichere
Affektstörung oder sonstige psychotische Kennzeichen seien jedoch nicht
festzustellen.Die Krankheitsdiagnose "Schizophrenie" erschien erst in
der Akte von Hubert Kleintjes als das Düsseldorfer Amtsgericht den
Beschluss des Klever Amtsgericht aufhob. Man brauchte eine eindeutige
vererbbare Krankheitsdiagnose, um die Sterilisation durchzuführen.
Stolpersteinverlegung Hubert Kleintjes Hubertusstraße 20 |
Stolpersteinprojekt
des Künstlers Günther Demnig |
Der Künstler Gunter Demnig hat das Stolpersteinprojekt ins Leben gerufen. Er möchte an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, indem er vor ihren letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Stolpersteine wurden bereits in mehr als 500 Orten Deutschlands und in mehreren andern europäischen Ländern verlegt. |
Dateiname: |
gored091214_KleintjesH.html |
Datum: |
01.01.15 |
Erstellt von : |
R. Warrener |
Text von: |
Frau Bublitz |
Fotografien: |
Simon Kersjes |