Kartenansicht
Projektinfo
Stolpersteinliste
Sponsoreninfos
Suchanfrage
Stolpersteine 04.10.13
Stolpersteine 04.06.14
Stolpersteine 09.12.14
Stolpersteine 27.02.15
Stolpersteine 14.12.15
Stolpersteine 14.06.16
Ausstellung 2015
Angehörigen Besuche
Kontakt

Rede - Hubert Kleintjes - Hubertusstraße 18

Rednerin: Elvira Bublitz

Stolpersteine - Hubert Kleintjes


Rede von Frau Bublitz am 9.12.14
anlässlich der Stolpersteinverlegung für Hubert Kleintjes

Vielen Dank an Frau Schaller für Ihre einleitenden Worte, und dass wir in Ihrem Gemeindezentrum der  Evangelische Kirchengemeinde Goch im Anschluss an die Verlegung gemeinsam mit allen Angehörigen und Interessierten zum gemeinsamen Treffen zusammen kommen können.

Danke auch an meine Mutter Walburga Bublitz, Tochter von Huberts Schwester Katharina (Käthe), die die Vettern und Cousinen über diesen Tag informiert hat. Danke an Sie alle, dass Sie zur Stolpersteinverlegung gekommen sind. 

Auf seinem Stolperstein, der gerade verlegt wird, wird stehen:

Stolperstein Hubert Kleintjes


HIER WOHNTE
HUBERT KLEINTJES
JG. 1907
EINGEWIESEN 1934
HEILANSTALT  BEDBURG
  'Verlegt' 26.3.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 26.03.1940
AKTION



Mein Großonkel Hubert hätte gerne gelebt!

In diesem Jahr jährt sich sein Todestag fast das 75. Mal. Ich bin mir sicher, dass er sich gefreut hätte, wenn er wüsste, dass heute seiner gedacht wird.

Zu diesem Gedenken in Form des Stolpersteins haben viele ganz unterschiedliche Personen beigetragen, die es mir und uns leicht gemacht haben, ein Gedenken in dieser besonderen Form für Hubert zu gestalten.

Bevor ich über dem Weg des Erinnerns, die Verschleppung und das Leben von Hubert etwas berichte, möchte ich den Personen danken, die das Gedenken heute ermöglichen.

Der Weg zum Gedenken und Dank an die Vorarbeit, Hilfe und Unterstützung

Dank an den Kölner Bildhauer Gunter Demnig, der hinter der Idee zu den Stolpersteinen steht, die Mitarbeiter der Stadt Goch, die heute die Stolpersteine verlegen, die Stolpersteininitiative Goch, allen voran Frau Warrener, der mein besonderer Dank gilt für die Vorbereitung der Veranstaltung heute. Hier seien auch Herr Koepp  und Frau Antonie Wouters vom Stadtarchiv Goch erwähnt.
Durch die Vorarbeiten/Wegbereitungen ist es für mich als Angehörige leicht, "nur noch alle zusammen zurufen und zum Gedenken einzuladen. Zunächst mein Onkel Anton, der bei meinen Ahnenforschungen berichtete, dass Hubert "abgeholt wurde". Über Herrn Anton Terpoorten habe ich viele Totenzettel von der Familie bekommen. (unter anderem auch von einem Anton Kleintjes, was mir damals noch nichts sagte, dazu komme ich gleich noch). Herr Terpoorten war der Mann von Alwine, der Tochter von Agnes, einer älteren Schwester von Hubert.

Die Recherche reicht über Michaela Schmitz vom LVR-Archiv in Pulheim, als zuständige Stelle des LVR Bedburg Hau. Hier sei das Buch von Sigrid Falkenstein, einer anderen Angehörigen eines Euthanasieopfers, über Anna Lehnkering erwähnt, das Bezug nimmt auf das Leben ihrer Tante, die in Bedburg Hau einsaß.1 Auch ihr gilt unbekannterweise mein Dank.

Dieses Buch über Annas Leben erschien im Jahr 2012 und ist also gerade mal 2 Jahre alt. Hier ist auch die Rede von einer Veränderung der Haltung der Ärzte in Bedburg Hau und die Mitarbeit zur Aufarbeitung. Ich hätte nicht die Geduld besessen wie Frau Falkenstein, über Jahre immer wieder in Bedburg nach den Akten zu fragen. Für mich ist es heute leichter, da ich direkt an Informationen kam und Hilfe für die Recherche bekommen habe.

Über Cornelia Niersmann, Sekretärin der Ärztlichen Direktorin des LKH von Bedburg Hau, Frau Dr, Brill, erhielt ich die "Abgangsdaten", also die Transportnummer von Hubert, mit dem Hinweis auf den Transport nach Hartheim Österreich.

Herr Eigelsberger von der Dokumentationsstelle Hartheim hat durch seine Hinweise den Weg der Recherche schnell in eine günstige Richtung gelenkt.

So ist klar, dass die Verschleierungstaktik der Nazis im Zusammenhang mit der sogenannten "T4" Tötungsaktion (so wird die Tötung von Euthanasieopfern genannt) dazu führte, dass Akten "getauscht" wurden, um Angehörige und Öffentlichkeit zu täuschen.

Tatsächlich wurde Hubert nach Brandenburg an der Havel verbracht und dort getötet.
Im Bundesarchiv Berlin ist die Krankenakte meines Großonkels erhalten geblieben. Es sind insgesamt ca. 30.000 Krankenunterlagen der über 70.000 Opfer der "Aktion T4" erhalten geblieben und befinden sich heute im Bundesarchiv Berlin. Diese konnte tatsächlich angefordert werden. Hier befand sich auch das Foto von Hubert, das wir hier heute mithaben.

Wie zeitlich nah alles sich günstig zusammenfügt zeigt auch, dass die Gedenkstätte in Brandenburg an der Havel, in der Huberts Namen erwähnt wird, auch erst seit 2012 geöffnet hat.

Ja - die Krankenakte. Frau Warrener von der Stolpersteininitiative Goch und Lehrerin an der Gesamtschule Goch fragte mich, ob ich auch einen Anton Kleintjes kenne. Mir fiel der vorhin schon erwähnte Totenzettel ein, den ich bisher nicht zuordnen konnte. Aus der Krankenakte geht eindeutig hervor, dass Anton Kleintjes ein Cousin von Hubert war, der ebenfalls in Bedburg Hau war und mit Hubert in Brandenburg getötet wurde. Auch diese Akte konnten wir im Bundesarchiv einsehen. Die Stolpersteinverlegung für Anton wird heute um 10.45 stattfinden.

Soweit zur Zusammenführung von Fakten aus den Akten und der Nachforschung.

Huberts Leben

An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Worte über Hubert sagen. Viel wissen wir nicht von ihm, das meiste ist aus der Akte zusammengetragen.

Hubert war kein guter Schüler, hat in der Volksschule eine Klasse wiederholt, dann in der "Margarine"* gearbeitet. In der Akte steht, er wurde als "frech" entlassen. War er also zu aufmüpfig? Was das zu bedeuten hat ist unklar, jedoch ist gewiss, dass die beengten Verhältnissen zuhause, die Arbeitslosigkeit, die vielleicht depressive Mutter ein Umfeld geschaffen haben, das keine ruhige, förderliche Umgebung war.

Die Umstände, unter denen Hubert nach Bedburg Hau eingeliefert wurde, bleiben unklar. Ob die Nachbarn sich beschwert haben, er auffällig geworden ist  oder und die Angehörigen sich genötigt sahen, einer Einweisung ins Landeskrankenhaus zuzustimmen, kann heute nicht mehr geklärt werden.
Die Diagnose lautete Schizophrenie. Frau Warrener erklärte mir, dass diese Diagnose damals nicht auf Erkenntnissen fußte, sondern quasi häufig als Krankenbezeichnung benutzt wurde. **
Im LKH hat Hubert auch gearbeitet. 

Bedeutsam ist für mich vor allem, dass sich Hubert mit Händen und Füßen gegen die Zwangssterilisation gewehrt hat. Die Akten zeigen, dass in Huberts Fall auch die Ärzte und die Richter zunächst überzeugt waren, dass eine Sterilisation "nicht nötig" sei. Eine weitere Aussetzung der Sterilisation hat er noch erreichen können. Dann wurde sie doch durchgeführt.

Welchen Mut und Courage das erfordert haben muss und welche Ohnmachtsgefühle da waren angesichts der Hoffnungslosigkeit, in diese Maschinerie geraten zu sein, kann ich nur mutmaßen. Das Grauen, was ihm und anderen noch angetan wurde, kann ich mir nicht einmal annähernd vorstellen.
Die Auswirkungen auf die Familie bleiben unklar, jedoch ist auch eine Schwester noch im Krieg an "Schwermut" gestorben.

Was bleibt und uns betrifft

„Nur wer vergessen wird, ist wirklich tot“ Es ist an meiner Generation, die Aufarbeitung zu leisten.
Danke, dass wir hier gemeinsam gedenken können. Im Evangelischen Gemeindezentrum werden noch der Totenzettel von Hubert, sein Bild, die Akte und das Buch aus der Gedenkstätte Brandenburg an der Havel ausliegen. Wer noch mehr sehen oder lesen möchte, kann dort gerne Einsicht nehmen.



* Magarinewerke in Goch

** Bei der Eingangsuntersuchung wurde dokumentiert, dass Hubert Kleintjes depressiv sei, eine sichere Affektstörung oder sonstige psychotische Kennzeichen seien jedoch nicht festzustellen.Die Krankheitsdiagnose "Schizophrenie" erschien erst in der Akte von Hubert Kleintjes als das Düsseldorfer Amtsgericht den Beschluss des Klever Amtsgericht aufhob. Man brauchte eine eindeutige vererbbare Krankheitsdiagnose, um die Sterilisation durchzuführen.


Infos
Stolpersteine in Goch

Hubert Kleintjes
Hubert Kleintjes
(B2)



Stolpersteinverlegung
Hubert Kleintjes
Hubertusstraße 20
Hubertusstraße 20 - Hubert Kleintjes - Klasse 6e Gesamtschule
Stolpersteinverlegung  Hubert Kleintjes


Stolpersteinprojekt des Künstlers Günther Demnig

Stolperstein Selma Devries

Der Künstler Gunter Demnig hat das Stolpersteinprojekt ins Leben gerufen. Er möchte an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, indem er vor ihren letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Stolpersteine wurden bereits in mehr als 500 Orten Deutschlands und in mehreren andern europäischen Ländern verlegt.

weitere Informationen...






Dateiname:
gored091214_KleintjesH.html
Datum:
01.01.15
Erstellt von :
R. Warrener
Text von:
Frau Bublitz
Fotografien:

  Simon Kersjes