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Rede - Bahnhofstraße 28
für Jenny Jacobs, Augste V. Koopmann, Henriette Rosenbaum
Rednerinnen: Klasse
6e - Gesamtschule Mittelkreis
- Emily Venmans,
- Philine Wingels,
- Sevda Kocak
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Jenny
Jacobs
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Auguste
Victoria
Koopmann
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Henriette
Rosenbaum
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Rede von Schülerinnen der Klasse 6e
Hier an der Adresse Bahnhofstraße wohnte 1941 die 85 Jahre
alte Jenny
Jacobs mit ihrer Haushälterin Henriette Rosenbaum. Die Familie Jacobs
gehörte zu den alteingesessenen jüdischen Familien der Stadt Goch. Ihre
Vorfahren wohnten bereits Ende des 18. Jahrhunderts in diesem Ort. Ende
des 19. Jahrhunderts heiratete Jenny Meyer aus Koblenz den Gocher
Getreidehändler Jacob Jacobs. Sie hatten eine Tochter namens Martha,
die 1890 in Goch geboren wurde.
Nachdem ihr Ehemann 1929 verstorben war, lebte wurde sie zunächst
einige Zeit von ihrer Tochter Martha und ab 1937 durch die Haushälterin
Auguste Victoria Koopmann aus Weeze versorgt. 1939 emigrierte Auguste
Victoria nach Großbritannien.
Zu diesem Zeitpunkt kam die aus Legden stammende ledige Henriette
Rosenbaum nach Goch, um den Haushalt von Jenny Jacobs zu übernehmen und
die zu diesem Zeitpunkt 83-jährige Jenny Jacobs zu pflegen. Im November
1941 erhielt Henriette Rosenbaum die Nachricht, dass sie ins Ghetto
Riga deportiert werden sollte. Am 10.12.1941 wurde sie mit anderen
Gochern zunächst nach Düsseldorf gebracht und musste dort im
Derendorfer Schlachthof übernachten.
Hier setzt unserer Geschichte ein. Wir werden im folgenden einen
erfunden Brief von Henriette an Jenny Jacobs vorlesen.
Liebe Jenny,
ich sitze hier im eiskalten Schlachthof in Düsseldorf und warte auf die
Abfahrt des Zuges. Diese Gelegenheit möchte ich nutzen, um dir nochmals
meinen Dank auszusprechen. Du hast mich aufgenommen als ich in einer
schwierigen Situation war. Man hatte mich aus meinem Heimatort Legden
vertrieben und mir das Haus über dem Kopf angezündet. Ich habe dir
diese Geschichte nie ausführlich erzählt, weil ich lange nicht darüber
reden konnte. Da ich nicht weiß, ob ich später weitere Briefe schreiben
kann, nutze ich diese Möglichkeit, um dir zu erzählen, was mir damals
zugestoßen ist.
Wie du weißt, habe ich in Legden das Haus meiner Eltern geerbt. Ich
hatte sie lange gepflegt und meine Geschwister hatten Legden lange
zuvor verlassen. Meinen Unterhalt konnte ich durch die Vermietung von
Räumen in meinem Haus und durch die Verpachtung einiger Grundstücke
bestreiten. Manchmal habe ich auch in den örtlichen Geschäften
ausgeholfen.
Dann kam der schrecklichste Tag in meinen Leben. Am 10. November 1938
hat man mein Haus angezündet, mich gedroht und misshandelt. Bereits am
Morgen hatte ich Gerüchte über die Zerstörungen in den Städten und
anderen Gemeinden gehört. Aber ich nahm an, dass mir hier in Legden
nichts geschehen könnte. Wir haben doch so lange hier gelebt. Am
Nachmittag versammelten sich plötzlich uniformierte und zivile Personen
vor dem Haus. Zu diesem Zeitpunkt bekam ich dann doch Angst. An
meinem Haus befand sich das jüdische Gebetshaus der Gemeinde. Darauf
hatten sie es hauptsächlich abgesehen. Ich versuchte in den Garten zu
fliehen, aber ich wurde von SA-Leuten erwischt. Sie beschimpften, sie
traten und misshandelten mich. Ich musste mitansehen, wie sie die
Fensterscheiben einschlugen, das Gebetshaus und meine Wohnung
plünderten und zerstörten. Anschließend legten sie Feuer. In einem
unbeobachteten Moment konnte ich fliehen, aber Jungen der Hitlerjugend
und SA-Männer nahmen mich kurze Zeit später wieder gefangen. Ich war
außer mir und weinte bitterlich, als sie mich ins Amtshaus brachten.
Dort wurde ich für kurze Zeit inhaftiert. Später ließen sie mich frei
und ich konnte bei Bekannten für einige Zeit Unterschlupf finden. Ich
verstehe es heute immer noch nicht. Nachbarn und ehemalige Freunde
hatten uns schon vorher die kalte Schulter gezeigt, aber mir das Haus
über den Kopf anzuzünden, dass hätte ich mir in den schlimmsten Träumen
nicht ausdenken können. Warum haben die Menschen sich so verändert. Ich
bin doch immer noch die Gleiche. Vor einiger Zeit haben sie mich noch
liebevoll "Jettchen" genannt und nun hatten sie sich schon am Vormittag
zusammengerottet, um mein Haus "warm abzubrechen", wie mir berichtet
wurde. Das Haus war bis auf die Grundmauern abgebrannt.
Man hatte mir mein Haus und meinen Besitz genommen. Ich hatte nur noch
die Kleidung, die ich trug, als sie mich aus dem Haus gerjagt hatten.
Alles war verbrannt. Ich dachte damals, dass es nicht schlimmer kommen
könnte. Aber ich irrte mich. Im Dezember erhielt ich die Nachricht,
dass wir Juden nun für die Schäden am 9. und 10. November aufkommen
müssten. Jede jüdische Person musste 20 Prozent seine Vermögens an den
Staat als sogenannte "Sühneleistung" zahlen. Erst verbrennen sie mein
Hab und Gut und dann soll ich auch noch den Rest meines Vermögens
abgeben. Sie hatten mir doch alles genommen. Ich hatte kein Geld mehr,
sondern nur noch die Grundstücke. Da ich das Geld dringend brauchte,
musste ich sie weit unter ihrem Wert verkaufen.
Der geringe Erlös für meine Grundstücke wurde auf ein staatliches
Sperrkonto überwiesen. Mir wurde nach der Zahlung der "Sühneleistung"
nur eine geringe Summe ausgezahlt. Auf den Rest kann ich bis heute
nicht zugreifen.
Nachdem ich einige Zeit bei meiner Schwester Bertha in Frankfurt gelebt
hatte, habe ich 1939 die Stelle als Haushälterin bei dir angenommen. Du
hast mich so herzlich aufgenommen und ich habe mich in den letzten zwei
Jahren gerne um dich gekümmert. Was soll nun aus dir werden? Wer wird
sich um dich kümmern? Wenn wir weg sind, gibt es nur noch drei weitere
jüdische Personen in Goch. Aber sie sind auch alle sehr alt. Ich mache
mir große Sorgen um dich.
Ich hoffe, dass dieser Brief dich erreichen wird. Ich werde versuchen
den frankierten und adressierten Brief aus dem Fenster zu werfen, und
hoffe, dass ihn jemand finden und dir zuschicken wird.
Falls es möglich ist, werde ich dir aus dem Ghetto schreiben. Ich werde
in Gedanken immer bei dir sein. Du warst mir eine wahre Freundin.
Deine Henriette
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Henriette Rosenbaum wurde mir acht anderen Gochern ins Ghetto
Riga deportiert. Dort starb sie irgendwann zwischen 1942 und 1944 an
Mangelernährung, an einer durch katastrophalen hygienischen Zustände
verursachten Krankheit oder wurde im Rahmen einer Selektion im Hochwald
von Riga erschossen.
Jenny Jacobs musste ohne Hilfe zurecht kommen. Sie verstarb
wenige Monate nach der Abfahrt von Henriette Rosenbaum am 5. März 1942
im Alter von 86 Jahren. Vermutlich wurde sie auf dem Gocher Friedhof
begraben. Ein Grabstein ist jedoch nicht vorhanden.
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Infos
Der Künstler Gunter Demnig hat das
Stolpersteinprojekt ins Leben gerufen. Er möchte an die Opfer des
Nationalsozialismus erinnern, indem er vor ihren letzten
selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig
einlässt. Stolpersteine wurden bereits in mehr als 500 Orten
Deutschlands und in mehreren andern europäischen Ländern verlegt.
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Informationen...
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