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Rede - Weezer Straße 29
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Else
Cohen |
Paula
Cohen |
Abraham
Cohen |
Werner
Cohen |
Gabriel
Cohen |
Am 25 Oktober 1939 schrieb Gabriel Cohen aus Gouda einen Brief
an die Niederländische Königin, den wir im folgenden vorlesen wollen.
An Ihre Majestät, die Königin der
Niederlande Sehr geehrte Dame, achdem ich nun Tag und Nacht darüber nachgedacht habe, wende ich mich endlich an Sie. Als ich noch in Deutschland wohnte, hieß es, wenn man über Sie sprach, Sie seien mitfühlend und hätten ein offenes Ohr für Ihre Mitmenschen. Ich heiße Gabriel Cohen und bin 15 Jahre, ich bin am 29. September nach Holland gekommen, um auf der Jüdischen Gartenbauschule in Gouda meine zweijährige Ausbildung für Palästina zu absolvieren. Sie verstehen sicher, dass ich Gott und der niederländischen Regierung innig dankbar bin, dass ich nun hier sein darf, aber der Gedanke an meinen lieben Vater lässt mich keine Nacht ruhig schlafen und vor Kummer kann ich häufig nicht essen. Er sitzt schon 4 Jahre unschuldig im Zuchthaus in Deutschland. Im Dezember ist die Haftstrafe um. Wenn er nicht in ein anderes Land immigrieren kann, kommt er lebenslang in ein Konzentrationslager. Sie verstehen, dass ich an nichts andere denke als an das Leben meines Vaters. Das Komitee für jüdische Flüchtlinge hätte diese Angelegenheit gerne für mich geregelt, aber die niederländische Regierung hat die Grenzen für Flüchtlinge geschlossen. Niemand anders als Sie, die Königin, kann sein Leben retten. Sie allein können die Grenzen für ihn öffnen. Ihr ergebenster Diener Gabriel Cohen Jüdische Gartenbauschule Ridder van Catsweg 61 Gouda. |
Diese Fragen möchten wir im Folgenden beantworten in Form
eines fiktiven Briefes von Gabriel an seine Eltern beantworten.
Lieber
Vater,
Gouda 15. Dezember 1939 wie du weißt, habe ich an die niederländische Königin geschrieben und sie darum gebeten, dass ihr nach Holland einreisen dürft. Leider muss ich euch mitteilen, dass die Bitte abgelehnt wurde. Ich bin so verzweifelt und weiß nicht, wie ich euch noch helfen könnte. Ende November wurde ich auf die Polizeistation in Gouda bestellt und wurde verhört. Sie wollten alles wissen und ich musste viele Fragen beantworten. Ich erzählte Ihnen, dass du ins Gefängnis musstest, weil du unsere christliche Dienstmagd nicht entlassen hast. Dies war zwar nach den Nürnberger Rassengesetzen von 1935 verboten, aber du hast dich nicht daran gehalten, weil sie schon so lange bei uns gearbeitet hatte. Die Nationalsozialisten glaubten, dass jüdische Arbeitgeber sich an ihren christlichen Angestellten vergreifen könnten. Das wäre dann ein Fall von Rassenschande und das wollten sie mit allen Mitteln verhindern. Aber das ist doch Unsinn! Und dann die Strafe! Vier Jahre Gefängnishaft, obwohl du doch gar nichts getan hast. Das ist ungerecht! In Kalkar war dies ein großer Skandal. Wir wurden von vielen Leuten angefeindet. Selbst bei der Beerdigung von Großmutter ist es zu schlimmen Zuständen gekommen. Als du dann im Gefängnis warst, wurde es nicht besser. Aber nun zurück zur Vernehmung. Ich habe Ihnen erzählt, dass du bis zum 9. Dezember im Wuppertaler Gefängnis sein wirst und dass Mama nun in Goch wohne. Weiterhin musste ich Ihnen berichten, dass ihr zwar mittellos seid, dass Onkel Arnold in Amsterdam aber für euren Unterhalt aufkommen würde. Ich musste Ihnen auch erzählen, dass ihr ein Visum zur Ausreise nach Amerika habt und hofft, dass ihr im Juni 1940 nach Südamerika reisen könnt. Ihr würdet dem holländischen Staat also nicht zur Last fallen. Vor einigen Tagen habe ich nun eine Antwort erhalten. Sie schreiben dass sie "angesichts der angespannten internationalen Lage" keinen positiven Bescheid geben können. Außerdem handele es sich nicht um einen Notfall, da ihr ja Visa für Südamerika hättet. Sie haben hier Angst, dass die Deutschen auch dieses Land überfallen könnten. Deshalb möchten sie keine jüdischen Flüchtlinge mehr aufnehmen. Sie verstehen nicht, was mit den Juden in Deutschland passiert, in welcher Unsicherheit ihr lebt und dass du jetzt jederzeit verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht werden kannst. Sie verstehen auch nicht, dass eine Ausreise von Deutschland aus, zum jetzigen Zeitpunkt nur noch selten möglich ist. Sie verstehen nicht, dass wir nur deshalb mittellos sind, weil man uns alles genommen hat. Großvater hatte eine Metzgerei und du einen Viehhandel in Kalkar. Uns ging es gut. Aber dann kamen die Boykotts und niemand wollte in jüdischen Geschäften einkaufen. Die Bauern wollten kein Vieh mehr an dich verkaufen. Sie verstehen nicht, was es bedeutet, Jude in Deutschland zu sein. Als "Judenschwein" bezeichnet zu werden, keine Schwimmbäder und Gaststätten betreten zu können. Für sie sind wir nur lästige Flüchtlinge und sie haben Angst, dass wir ihnen auf der Tasche liegen. Es tut mir unendlich leid, dass ich nichts für euch tun konnte. Hier in der jüdischen Jugendfarm Catherinahoeve in Gouda geht es mir gut. Ich lerne viel über Gartenbau und Landwirtschaft. Wenn ich in zwei Jahren mit der Ausbildung fertig werde, bin ich gut auf ein Leben in Palästina vorbereitet. Ich arbeite gerne an der frischen Luft und die Arbeit macht mir Spaß. Außerdem lerne ich hebräisch, damit ich mich in Palästina verständigen kann. Hier in Catherinahoeve lebe ich mit zwanzig anderen Jugendlichen zusammen. Wir alle sind stolz darauf, Palästina Pioniere zu sein. Nach der Ausbildung werden wir nach Palästina auswandern. Ich hoffe, dass ihr das Deutsche Reich doch noch verlassen und Werner nach Südamerika folgen könnt. Es macht mich traurig, dass ich nichts für euch erreicht habe und bete darum, dass wir uns irgendwann in Palästina wiedersehen werden. Eurer euch liebender Sohn Gabriel |
Dieser Wunsch von Gabriel
sollte nicht in Erfüllung gehen.
Im folgenden möchten wir abschließend berichten, was nach diesem Datum
mit den Familienangehörigen geschah.
Stolpersteine in Goch |
Stolpersteine-Gruppe1 auf einer größeren Karte anzeigen |
Stolpersteinverlegung Abraham Cohen Paula Cohen Else Cohen Werner Cohen Gabriel Cohen Weezer Straße 29 |
Stolpersteinprojekt
des Künstlers Günther Demnig |
Der Künstler Gunter Demnig hat das Stolpersteinprojekt ins Leben gerufen. Er möchte an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, indem er vor ihren letzten selbstgewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Stolpersteine wurden bereits in mehr als 500 Orten Deutschlands und in mehreren andern europäischen Ländern verlegt. |
Dateiname: |
gored270215Cohen.html |
Datum: |
02.03.15 |
Erstellt von : |
R. Warrener |
Text von: |
R. Warrener |
Fotografien: |
R. Warrener G. Warrener Annette Wozny-Koepp Bilder der Opfer - StaG |