Projekt: Gegen das Vergessen

Jüdische Friedhöfe
- allgemeine Information -


Jüdische Friedhöfe in Goch

Jüdische Friedhöfe werden nach jüdischem Recht für die Ewigkeit angelegt. Auch wenn Grabsteine abgeräumt oder Gelände bebaut wird, handelt es sich weiterhin um einen Friedhof.

In Goch gibt es insgesamt drei jüdische Friedhöfe. Der älteste liegt an der Straße „Hinter der Mauer“ innerhalb der alten Stadt. An der Kalkarer Straße Ecke Pfalzdorfer Straße (Parkanlage vor dem Hotel Litjes) wurde 1822 ein zweiter Friedhof angelegt und bis etwa 1900 benutzt. Der dritte Friedhof wurde 1903 an der Kalkarer Straße/Reeser Straße angelegt.

1939 wurde die Jüdische Gemeinde gezwungen, die Friedhöfe an die Stadt Goch zu verkaufen.

Ältester jüdischer Friedhof "Hinter der Mauer" in der Nähe von Kaufland Zweit ältester jüdischer Friedhof
Kalkarer/Pfalzdorfer Straße
Parkanlage vor dem Hotel Litjes
Neuer Jüdischer Friedhof
Kalkarer/Reeser Straße

 

 

Bedeutung des Friedhofs in der jüdischen Kultur

In der jüdische Kultur existieren für den Friedhof mehreren Namen:

Bejt olam/bejt almin - Haus der Ewigkeit
Bejt hachajim - Haus des Lebens
Bejt-Ha´Kwarót - Stätte der Gräber
Makom tov - Guter Ort
Kewer awot – Grabstätte der Eltern

Der Friedhof ist für die Juden ebenso bedeutsam wie die Synagoge. Das zeigt sich auch daran, dass die Männer den Friedhof nicht ohne Kopfbedeckung betreten dürfen. Wie der Name „Haus der Ewigkeit“ andeutet, soll der Tote an diesem Platz in Ewigkeit ruhen dürfen. Den Toten darf der Ruheort nicht genommen werden, da sie auf die Auferweckung „am Ende der Tage“ und auf ein ewiges Leben von Leib und Seele warten. Der jüdische Friedhof ist somit unantastbar. Eine Umbettung oder Neubelegung der Totenstätte, wie es häufig auf christlichen Friedhöfen der Fall ist, ist hier undenkbar (siehe Friedhof Hinter der Mauer).

 

Besonderheiten des jüdischen Friedhofs

Normalerweise sind die Gräber so angeordnet, dass die Toten in Richtung Jerusalem, d.h. Osten bzw. Südosten liegen. Auf dem neuen Friedhof „Kalkarer/Reeser Straße ist dies auch der Fall. Die Toten liegen hier anders als auf christlichen Friedhöfen hinter den Grabsteinen (siehe Grabstein der Familie Valk, p1_01). Auf dem alten Friedhof (Kalkarer/Pfalzdorferstraße) scheinen die Toten in Richtung Süden oder Norden zu liegen.

Betrachtet man die älteren Grabsteine in der Parzelle 2 (p2_16 bis p2_27), so erkennt man eine gleichmäßige Gräberreihe mit gleich hohen Gräbern und hebräischen Inschriften. Über diese Anordnung versuchte man Jahrhunderte lang dem Ideal der Schlichtheit und Gleichheit aller im Tode zu entsprechen. Im Ausgehenden 19. Jahrhundert wurde dieses Prinzip aufgeweicht. An der Größe und Gestaltung der Steine ist häufig der im Leben erworbene Reichtum und Erfolg abzulesen (p2_01, p2_03, p2_04, p3_37, p2_02, p3_07, p3_12). Auch die Formenvielfalt wuchs. In den Zwanzigern und unter dem Einfluss des NS-Regimes kam es dann zu einer Rückbesinnung auf jüdische Traditionen und die Grabsteine wurden wieder bescheidener und gleichförmiger (p4_01, p4_02, p3_28, p2_10, p2_12, p3_01).

Ursprünglich waren die Grabsteine meist aus Sandstein (siehe z.B. p2_15 bis p2_28). Im 19. und 20 Jahrhundert kamen dann Grabsteine aus härteren Materialien, wie Marmor (p1_01, p2_01, p2_05, p2_08, p2_09, p3_04, p3_05, p3_13, p3_18, p3_19, p3_37, p3_38, p3_39, p4_01, p4_02) , Granit und Zemtguss auf. Häufig wurden diese mit eingelassenen Inschriftplatten aus weißem Marmor verziert (p3_02, p3_10, p3_11, p3_16).

Der jüdische Friedhof soll auch das Prinzip der Vergänglichkeit widerspiegeln. Aus diesem Grunde gibt es keinen Blumenschmuck oder auf Hochglanz polierte Grabsteine. Diese sollen durchaus die Zeichen der Zeit aufzeigen. Häufig sieht man auf jüdischen Friedhöfen, kleine Steine auf den Gräber, die Besucher dort abgelegt haben (siehe p4_02). Dies geht auf eine alte Tradition der Nomaden zurück, die durch die in der Wüste durch die Ablage von Steinen die Toten vor Tieren schützen wollten).

 

Kinder und Rabbiner und andere geehrte Personen wurden an besonderen Plätzen begraben. Kinder hatten häufig auch kleinere Grabsteine. In Xanten sind viele dieser Grabsteine zu sehen. Obwohl nach der Jahrhundertwende zahlreiche Kleinkinder starben, kann man in Goch keinen einzigen Grabstein für Kinder finden. Die Angehörigen der Kohanim (Priester), die sich als Nachfahren Aarons und seiner beeiden Söhne verstehen, haben ihre Gräber meist  am Rande des Friedhof (siehe p2_22, p2_27). Die Priester unterlagen besonderen Reinheitsvorschriften und konnten durch den Besuch des Friedhofs verunreinigt werden. Durch die Randlage der Gräber war es ihnen möglich, außerhalb des Friedhofs zu bleiben und trotzdem an der Beerdigung teilzunehmen. Seit der Zerstörung des Tempels durch die Römer 70 n. Chr. haben die Priester eigentlich keine Funktion mehr. Dennoch unterliegen sie einigen Pflichten und Beschränkungen. Zudem haben sie in der jüdischen Gemeinde das Vorrecht, den so genannten Priestersegen zu sprechen. Dieser Segen wird mit der typischen Erhebung der Hände, die Hände und Finger sind vor der Stirn gespreizt, gesprochen. Die „segnenden Hände“ sind häufig auf den Grabsteinen der Nachkommen von Priesterfamilien zu sehen. Auch Familiennamen, wie Cohen, Katz, Kahn, weisen auf die Herkunft aus einer Priesterfamilie hin.

 

 

Inschriften

Anfänglich waren die Inschriften der Grabsteine nur in der hebräischen Sprache verfasst (p2_16p2_27). Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden diese durch deutschsprachige Angaben ergänzt. Zunächst war nur der Name auf der Rückseite zu erkennen (p3_24, p2_14). Dann kamen auch auf der Vorderseite immer mehr Angaben hinzu (p2_04). Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts tauchen die ersten Grabsteine auf, die ganz in Deutsch verfasst wurden (p2_03, p3_04).

Auf fast allen Grabsteinen findet man untenstehende hebräische Worte. Diese werden allerdings nur durch ihre Anfangsbuchstaben symbolisiert.

Poh nikbár – Hier ruht – P.N.
Poh nitmán – Hier ist bestattet– P.N

Ferner stehen die fünf Buchstaben T.N.Z.W.H. für den Satz
„Te’hi Nischmató zrurá Bi’zrór Ha’Chajim“
Möge seine Seele gebündelt sein im Bunde des (ewigen) Lebens -

 

Symbole

Die Darstellung von Personen auf Grabsteinen entspricht nicht der jüdischen Glaubensauffassung. Allerdings verraten uns Sinnbilder sehr viel über den Namen, Beruf oder Funktionen und Ehrenämter. Symbole aus der Pflanzen- und Tierwelt verraten uns ebenfalls einiges über die Toten.

 

Die segnenden Hände

Wie zuvor bereits erwähnt, deuten die segnenden Hände daraufhin, dass hier das Mitglied einer alten Priesterfamilie, die ihre Herkunft von Aaron ableitet, beerdigt wurde. Die vor der Stirn zusammengelegten Hände mit gespreizten Fingern, zeigen die typische Geste, die der Priester (Kohanim) beim Segensspruch macht. Familiennamen wie Cohen, Katz und Kahn verweisen ebenfalls auf eine Herkunft aus einer alten Priesterfamilie (siehe p2_22, p2_27).



Die Levitenkanne

Das Symbol einer Kanne, die auch häufig mit einer Wasserschale kombiniert ist, weist darauf hin, dass der Angehörige der altpriesterlichen Familie Levi entstammt. Die Leviten waren Beschützer und Diener des Tempels. Familiennamen, die auf diese Herkunft verweisen sind auch Levi, Lewin, Löwe, Löwenthal u.ä. (siehe p3_26).

Der Schmetterling

Der Schmetterling gilt als Sinnbild der Psyche, gemeint ist damit die "unsterbliche Seele" in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen, die sich nach dem Tode vom Körper getrennt hat. Sie ist damit sowohl ein Symbol des flüchtigen Lebens als auch der Unvergänglichkeit.

Das Symbol erscheint häufig auf Frauengräbern (siehe p2_28)



Rosen, Blumen

Rosen und Blumen stellen ein schmückendes Element dar. Es kommt die Rose häufig bei Frauen mit dem Namen Röschen vor. Oft schmückt sie auch das Grab eines früh verstorbenen Mädchens.

Geknickte Blume

Die geknickte Blume oder der Baumstumpf sind Symbole dafür, dass der Tote aus der Blüte seines Lebens gerissen wurde. (siehe p3_20)


Mohnkapseln

Mohnkapseln sind ein Zeichen für den (ewigen) Schlaf (siehe p3_20)

Der Davidstern

Der Magen David ist in Goch häufig auf Grabsteinen anzutreffen Das Hexagramm ist ein altes Zeichen, das sich immer mehr zum Sinnbild des Judentums entwickelte. Er stellt das Hauptsymbol auf der Flagge Israels dar (siehe p2_01, p2_02, p2_08, p3_04, p3_09, p3_12, p3_32, p3_39, p3_40, p3_41).

 


Palmzweige

Palmzweige symbolisieren die Wiedergeburt und die Unsterblichkeit (siehe p3_18, p3_19).

Ehrenkranz, Girlanden

Der Ehrenkranz erinnert, wie viele universale Symbole (Sanduhr, Genien, nach unten gerichteten Fackeln), an Vergänglichkeit und Tod. (siehe p2_14, p3_25, p4_03, P4_04).


Die Tafeln des Bundes

Die Tafeln des Bundes stellen die Gesetzestafeln dar, auf denen Moses die „Zehn Gebote“ eingehauen hat.

Quellen

  • Dieter Peters, Land zwischen Rhein und Maas, Genealogische Daten von jüdischen Friedhöfen in der ehemaligen Rheinprovinz und in der niederländischen Provinz Limburg, hrsg. von MOSAIK Familienkundliche Vereinigung für das Klever Land e.V., Kleve 1993
  • Brocke, Mirbach, Grenzsteine des Lebens, Auf jüdischen Friedhöfen am Niederrhein, Mercartor Verlag, 1988
  • Elfi Pracht-Jörns: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Bezirksregierung Düsseldorf, J.P. Bachem Verlag Köln, 2000, S. 327-336
  • Seitenanfang

 

Dateiname: friedinfo.htm
Datum: 07.11.11
Erstellt von: Ruth Warrener
Fotografien: Ruth Warrener
Symboldarst. Peters, s.o