Geschichte einer Emigration
und eines Neuanfangs in den Vereinigten Staaten
Die Familie Oppenheimer besaß auf der Voßstraße 42 (heute Müller) ein Kurzwarengeschäft, das von den Geschwistern Oppenheimer geführt wurde (vermutlich Else und Betty und Henriette Oppenheimer). Im Jahre 1933 heiratete Else Oppenheimer Ludwig Willner. Er arbeitete als Kaufmann ebenfalls im Geschäft der Familie. Als das Geschäft Anfang 1937 wegen der Repressionen der Nationalsozialisten aufgeben musste, wanderte Ludwig Willner nach Queens New York aus. Dort lebte er bei Elses Bruder Fritz Oppenheimer bis Else mit ihren Kindern im September 1938 folgte. Die Familie hatte in Goch vor den Boykotten der Nationalsozialisten ein gutes Leben geführt. Sie hatte ihr eigenes Geschäft und war durchaus wohlhabend. Sobald sie in den USA angekommen waren, wurde das Leben zunächst sehr schwierig. Ludwig Willner fand anfänglich nur eine Tätigkeit als ungelernte Arbeitskraft in der Textilindustrie. Dort verdiente er 7,00 $ pro Woche. Später startete er ein eigenes Unternehmen und besuchte als Reisender Schneider und Reinigungen in New York und Conneticut. Er belieferte sie mit allen möglichen Zubehör. Fritz Oppenheimer arbeitet in der gleichen Branche. Else Willner trug durch Heimarbeit zur Verbesserung des Einkommens bei. Sie nähte Schürzen und während des Krieges bestickte sie Embleme (z.B. Sterne etc.), die auf Uniformen befestigt wurden. Darüber hinaus kümmerte sie sich in dem Miethaus, in dem die Familie wohnte, um den Kohleofen. Sie musste die Asche zusammenkehren und im Müll entsorgen. Durch diese schwere Tätigkeit hatte sie von da an Rückenschmerzen. Als die Familie nach dem Krieg Reparationen (eine Entschädigung für die Verfolgung in Deutschland) erhielt, wurde das Leben etwas einfacher. Ludwig Willner konnte ein wenig Englisch, da er es in der Schule gelernt hatte. Ziemlich schnell konnte er fließend Englisch sprechen und beherrschte auch die Schriftsprache gut. Für die Else Willner war die Gewöhnung an die englische Sprache schwerer. Im Laufe der Zeit verbesserten sich aber auch ihre Englischkenntnisse. Mit ihren Töchtern sprach Else Willner deutsch. Diese antworteten aber in Englisch. Wie viele junge Kinder beherrschten die Geschwister die Sprache sehr schnell. Während des Krieges wollten sie nicht, dass ihre Mutter auf der Straße Deutsch sprach. Da die Vereinigten Staaten gegen die Deutschen kämpften, hielt man jede deutsch sprechende Person für einen Spion oder zumindest für den Feind. Die Überlegung, dass es sich um Deutsche jüdischen Glaubens handeln könnte, die gezwungen waren Deutschland zu verlassen und nicht das Hitler-Regime befürworteten, haben nur Wenige angestellt. So wurden Deutsche jüdischer Religion nicht nur ihrer alten Heimat vertrieben, sondern waren als Deutsche in der neuen Heimat noch manchen Anfeindungen ausgesetzt. Die Familie von Ludwig Willner war in der Zeit des Nationalsozialismus umgekommen. Aus diesem Grunde redete er mit seinen Kindern nicht gerne über diese Zeit. Else Willner dagegen berichtete den Geschwistern viel über ihre Jugend, über das Leben der anderen jüdischen Familien in Goch und über ihre Emigration. In Bezug auf Hitler äußerte sie sehr harte Worte. Als nach dem Krieg ein Bild in einer New Yorker Zeitung zu sehen war, auf dem Überlebende der Konzentrationslager dargestellt wurden, war sie zunächst sicher, ihre Schwester Betty auf dem Bild wiederzuerkennen. Nachforschungen ergaben jedoch, dass sie sich geirrt hatte. Sie war darüber sehr traurig. Else Willner kehrte nie wieder nach Deutschland zurück. Allerdings fuhr sie einige Male in die Schweiz, um sich dort mit ihrer Schwester aus Israel zu treffen. Eine
Tochter des Ehepaars, Leah Willner, besuchte später ein College um
Lehrerin zu werden. Sie wohnte zu dieser Zeit bei den Eltern und
arbeitete nebenher. Auf dem College lernte sie ihren späteren Ehemann
Howard Cohen kennen. Er war Gynäkologe. Nach der Heirat zog das Ehepaar
nach Poughkeepsie, New York. Zwischen 1962 und 1966 lebten sie während
einer praktischen Ausbildungsphase des Ehemanns in New Jersey. Danach
wohnten sie wieder in Poughkeepsie. Die Tochter Deborah wurde 1965 und
der Sohn Daniel 1967 geboren. Als Howard 1982 im Alter von 48 Jahren
verstarb, studierte Leah Cohen Jura und arbeitet 20 Jahren als
Rechtsanwältin. Ende 2006 zog sie zu ihrer Tochter Deborah Peckham nach
Canton Massachusetts in der Nähe von Boston. Der Sohn Daniel
Cohen lebt in New York im Stadtteil Bronx. Leah verstarb 2007. Leah Cohen und ihre Schwester Eva besuchten Goch im Jahre 1984. Stammbaum der Familie Ludwig und Else Willner aus Goch
Dokumente einer Emigration |
Nachname | Vorname | Geburtsort u. -datum | Gest. Ort | Wohnort | verheiratet | Kinder | Bemerkungen | |
WILLNER |
Else |
1.2.1898 Goch |
6.7.1981 | Voßstr. 42 |
Ludwig Willner |
|
Emigriert 1938 mit ihren Kindern in die USA. Else Willner und ihre Töchter werden 1938 noch als Mitglieder der israelitischen Spezialgemeinde Goch aufgeführt(1) . Ihr Ehemann Ludwig verließ im Januar oder Februar 1937 Goch, als das Geschäft aufgrund der Maßnahmen der Nationalsozialisten nicht weitergeführt werden konnte und ging zu seinem Schwager Fritz nach Queens (New York). 1938 emigrierte Else Willner mit den Kindern in die USA. Else Willner lebte in Queens und ab 1977 in Poughkeepsie New York. |
e |
WILLNER |
Eva |
30.9.1936 Goch |
Voßstr. 42 |
|
Emigrierte 1938 mit ihren Eltern in die USA. Lebte dann in New Jersey. |
e |
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WILLNER |
Ludwig |
28.1.1904 |
7.4.1963 New York (Queens) |
Voßstr. 42 |
Else Willner |
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Kaufmann, arbeitete im Geschäft der Familie Oppenheimer und ging nach der Aufgabe des Geschäfts im Jahre 1937 nach New York. Dort lebte er zunächst bei seinem Schwager Fritz. 1938 folgte ihm seine Frau Else mit den Kindern in die USA. |
e |
WILLNER |
Leah |
3.4.1934 |
21.12.2007 Canton M.A. |
Voßstr. 42 |
Howard Cohen verst. 9.27.1982 |
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Emigrierte 1938 mit ihren Eltern in die USA. Lebte dann in Queens, später in New Jersey und heute bei ihrer Tochter in der Nähe von Boston. Sie wurde zunächst Lehrerin und studierte später Jura, das sie heute noch praktiziert. |
e |
COHEN |
Daniel |
1967 New York |
New York, (Bronx) |
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WEINER GROSS |
Lisa |
New Jersey |
George Gross |
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Die beiden Schwestern Susan und Lisa sind mit Brüdern verheiratet. |
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WEINER GROSS |
Susan |
New Jersey |
Ian Gross |
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Heiratsbescheinigung der Stadt Goch für Ludwig Willner und Else Willner geb. Oppenheimer vom 13.2.1933 Bild: Lea Cohen |
Geschäft der Geschwister Cohen (Oppenheimer) "Total Ausverkauf" Ende 1936 Fast alle jüdischen Geschäfte und Firmen wurden von 1935 bis ca. 1938 geschlossen oder verkauft. Die Boykotte und anderen Maßnahmen (z.B. Fotos von Nichtjuden, die dort einkauften) sorgten dafür, dass kaum noch in jüdischen Geschäften eingekauft wurde. Außerdem wurden jüdische Geschäfte manchmal auch nicht mehr von den Zulieferbetrieben beliefert. Wie so viele Geschäfte muss hier auch das Geschäft der Familie Oppenheimer geschlossen werden. Das Foto wurde kurz vor der Schließeung 1936 aufgenommen. Die Familie lebte in den Stockwerken über dem Geschäft. Foto: Daniel und Leah Cohen |
Innenbereich des Geschäfts (1.12.1936) Ludwig und seine Frau Else sowie Henriette Oppenheimer arbeiteten im Kurzwarengeschäft Das Geschäft musste Ende 1936 geschlossen werden. Foto: Daniel und Leah Cohen |
Geschäft der Geschwister Cohen (Oppenheimer) 7.2.1937 nach der Schließung Ende 1936 Voßstr. 42 (heute Müller) Die Familie lebte in den Stockwerken über dem Geschäft. Foto: Daniel und Leah Cohen |
9. 5. 1938 Goch In der Mitte die Großmutter Friederike Oppenheimer mit ihren Enkelinnen Eva (links) und Leah (rechts) stehend Henriette (links) und Else (rechts) Foto: Daniel und Leah Cohen |
Leah und Eva auf der Amsterdam, dem Schiff, mit dem sie nach New York fuhren September 1938 Foto: Daniel und Leah Cohen |
Familie Willner wieder vereint im Central Park Foto: Daniel und Leah Cohen |
Quellen:
Neben den im Impressum angegebenen allgemeinen Quellen sind hier insbesondere zu nennen:
Dateiname: | foppenh2.htm |
Datum: | 20.01.2007 |
Erstellt von: | Ruth Warrener |
Fotografien: | Daniel und Leah Cohen |