Exkurs: |
Geburt und Familie |
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6.1.1924 |
Gabriel Cohen wurde als Sohn des Viehhändler Hugo Cohen und dessen Frau Paula (geb. Kaufmann aus Rheurdt) geboren. Werner, sein älterer Bruder war 3 Jahre zuvor zur Welt gekommen. Die Familie wohnte am Kalkarer Markt. Der Großvater Abraham Cohen und seine Frau Malchen lebten mit ihren Söhnen in der Kesselstraße. Sein Bruder Salomon wohnte mit seiner Frau Augusta und deren drei Kinder in der Altkalkarer Straße. Die Familie Cohen gehörte in Kalkar zu den alteingesessenen jüdischen Familien. Werners Urgroßvater Herz Abraham war Mitte des 19 Jh. als Handelsmann nach Kalkar gekommen.
| Gabriel wohnte mit seinen Eltern und seinem Bruder Werner am Kalkarer Markt über der Redaktion der "Kalkarer Volkszeitung" (Fotosammlung Warrener) |
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Schule |
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1930-1935
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Über die Schullaufbahn von Gabriel ist nichts bekannt. Vermutlich
besuchte er einige Zeit die evangelische Schule in Kalkar. Vom
29.10.1935 bis zum 29.4.1938 lebte er im israelitischen
Waisenhaus in Dinslaken und ging dort auch zur Schule. Zur gleichen
Zeit hielt sich auch der aus Goch stammende Joseph Seligmann im
Dinslakener Kinderheim auf.
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Werner und Gabriel Cohen mit ihren Großeltern Berta und Siegmund Kaufmann aus Rheurdt. (Quelle: Gemeindearchiv Rheurdt) |
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Eine schwere Zeit – Hugo Cohen wird wegen „Rassenschande“ verurteilt |
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1935/1936 |
Anfang 1936 verschlechterte sich die Situation der Familie erheblich. Hugo Cohen wurde am 23.1.1936 vor der Strafkammer Kleve wegen eines Rassevergehens zu vier Jahren Haft verurteilt. Was hatte Gabriels Vater gemacht? Hatte er eine deutsche Nichtjüdin vergewaltigt? Nein! Hugo hatte eine "deutschstämmige" Dienstbotin unter 45 Jahren angestellt. Dies war jedoch seit 1935 durch die Nürnberger Rassegesetze verboten. Man ging davon aus, dass sich automatisch ein Verhältnis zwischen dem jüdischen Dienstherrn und der „deutschstämmigen Angestellten“ entwickeln könnte und dies galt als Rassevergehen. Hugo kam für vier Jahre ins Gefängnis Lüdringhausen und wurde erst im Dezember 1939 entlassen. In Kalkar wurde der Vorfall zu einem Skandal aufgebauscht und die Familie musste viele Anfeindungen ertragen. Als 1936 auch die Großmutter Malchen starb, kam es in Kalkar zu schlimmen Ausschreitungen (Bergmann, S. 34).
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Rassenschande, Rassen-
oder auch Blutschande war im Nationalsozialismus ein Begriff, mit dem
man sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Staatsangehörigen
„deutschen und artverwandten Blutes" bezeichnete. Im Rahmen der 1935
erlassenen Nürnberger Rassegesetze wurden z.B. Ehen zwischen
„Deutschblütigen“ und Juden verboten. Sexueller Kontakt, das konnten
z.B. auch Küsse oder Zärtlichkeiten, zwischen den genannten Gruppen
sein, wurde mit einer Haftstrafe von zwei bis vier Jahren bestraft.
Außerdem
durften keine weiblichen „deutschblütigen“ Angestellten unter 45 Jahren
in jüdischen Haushalten arbeiten. (vgl. Wikipedia, Rassenschande) |
NS-Propagandaplakat, das als Hetze gegen jüdische Männer wirken sollte. (Quelle, Stadtarchiv Goch) |
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Umzug nach Goch |
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Mai |
Am 11.5.1938 zog Gabriels Mutter Paula
nach Goch in die Weezerstraße 29. Auch der Großvater Abraham Cohen
sowie seine Nichte Else verließen Kalkar Richtung Goch und wohnten dort
bei Verwandten. Am 29.4.1938 zog Gabriel nach Berlin in die Artilleriestraße 31. Zu welchem
Zweck er sich fort aufhielt ist nicht bekannt. Ober er gemeinsam mit
seiner Mutter und dem Großvater im Mai 1938 nach Goch kam ist nicht
bekannt. Seine Anweisenheit im März 1939 ist jedenfalls durch eine
vorliegende Kennkarte dokumentiert. Auch sein Bruder Werner wohnte zu dieser Zeit in Goch.
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Gocher Markt (Quelle Stadtarchiv Goch) |
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Werner emigriert nach Argentinien |
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August 1939 |
Im August 1939 reiste sein Bruder Werner mit seinem Onkel Ernst, seiner Tante Frieda und der Cousine Margrit aus Issum nach Argentinien und sein Großvater Abraham zog nach Amsterdam. Paula Cohen blieb zunächst in Goch. Als Hugo Cohen im Dezember 1939 entlassen wurde, zogen beide in die Augustastraße 40 nach Duisburg und versuchten ihre Auswanderung in die Vereinigten Staaten voranzutreiben.
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Frieda, Margrit und Ernst Cohen. Werner wanderte mit der Familie seines Onkels nach Argentinien aus. |
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Gabriel macht eine Ausbildung in den Niederlanden |
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Während Werner sich bereits auf einem Schiff mit dem Kurs Brasilien befand, verließ auch Gabriel kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs Deutschland. Am 29.8.1939 fuhr er mit dem Zug um 9.28 Uhr von Goch über Nimwegen nach Gouda zur Jüdischen Jugendfarm Catherinahoeve (Joodsche-Tuinbouwschool Gouda). Dort machten ca. 20 Jugendliche eine landwirtschaftliche bzw. gartenbautechnische Ausbildung. Nach zweijähriger Lehrzeit sollte Gabriel wie auch die anderen Auszubildenden nach Palästina (Alijah) auswandern. In Catherinahoeve wurden die so genannten „Jungen Pioniere“ darauf vorbereitet, in Palästina (heute Israel) Boden urbar zu machen und landwirtschaftliche Güter aufzubauen. Drei Tage später wäre die Einreise in die Niederlande nicht mehr möglich gewesen, da am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann und die Grenzen geschlossen wurden. Gabriel schaffte es knapp, Deutschland auf legalem Wege zu verlassen.
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g |
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Gabriel schreibt einen verzweifelten Bittbrief an die Königin |
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Im Oktober 1939 schrieb Gabriel einen herzerweichenden Brief an die niederländische Königin. Er schrieb, dass er keine Nacht mehr ruhig schlafen und vor lauter Sorgen nicht mehr richtig essen könne. Er berichtete in diesem Brief, dass sein Vater vier Jahre lang unschuldig in einem Gefängnis gesessen habe, und bat die Königin, seinen Vater Hugo in die Niederlande einreisen zu lassen. Er
schrieb weiterhin, dass sein Vater lebenslang in ein
Konzentrationslager käme, wenn dieser nicht in ein anderes Land
auswandern könne. Gabriel erklärte, dass er sich direkt an die Königin
wende, weil die niederländischen Behörden die Grenzen für deutsche
Flüchtlinge geschlossen hätten.
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Die Königin gab den Brief an den Justizminister weiter und der Fall
wurde von den Behörden untersucht. Am 23. November 1939 machte Gabriel
bei der Polizei in Gouda eine Aussage zur Einwanderungsangelegenheit
„Hugo Cohen“. |
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November 1939 | Am
gleichen Tag schrieb der Polizeikommissar Beekmann eine Beurteilung zu
dieser Angelegenheit. Er stellte dar, dass es sich seiner Meinung nach
nicht um einen dringenden Notfall handle, der angesichts „...der
angespannten internationalen Lage“ positiv beschieden werden sollte.
Dafür spreche auch, dass die Familie wahrscheinlich im Juni 1940 nach
Amerika auswandern könne. Mit der angespannten Lage meinte der
Kommissar den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die Niederlande hatten zu
diesem Zeitpunkt die Sorge, dass Deutschland auch andere Nachbarländer
überfallen könnte. |
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Juli-Nov. |
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Anwesenheitslisten in Catherinahoeve Juli bis November 1940 |
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Einmarsch der Deutschen in die Niederlande |
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Wenige Monate später sollte diese Befürchtung Realität werden. Im Mai 1940 marschierten die Deutschen in die Niederlande ein und übernahmen dort die Macht. Eine Auswanderung nach Palästina, wie Gabriel und die anderen „Jungen Pioniere“ sie geplant hatten, war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. |
Dokumente Catherinahove: fotografiert von: Miriam Mijatovich-Keesing - (c) National Archiv Den Haag- NL-HaNA Justitie/Rijksvreemdelingendienst 2.09.45. inv. nr. 899-900 ) |
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01.11.19400 | Anfang
November 1940 wurde Gabriel Cohen zum letzten Mal auf einer Liste der
jüdischen Gartenbauschule erwähnt. Er wohnte zu diesem Zeitpunkt
immer noch in der Jugendfarm „Catherinahoeve“ in Gouda und arbeitete in
Den Haag. |
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Gabriels Eltern kommen in Konzentrationslager |
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15.3.1941 |
Da die Auswanderung Hugo Cohens bis 1941 nicht erfolgt war,
wurden 1941 Gabriels Befürchtungen wahr. Hugo Cohen wurde am 15.3.1941
von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert. |
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11.12.1941 |
Nach der Verhaftung ihres Ehemannes lebte Paula Cohen noch bis Ende 1941 in Duisburg. Von dort wurde sie 1941 ins Ghetto Riga (Lettland) deportiert. |
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Gabriel taucht in Amsterdam unter |
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22.4.1943 | Am 22.4. 1943 erhielten alle Einwohner von Catharinahoeve den Evakuationsbescheid und mussten sich am nächsten Tag im KZ Vught melden. Die meisten Auszubildenden tauchten unter oder flohen. Ob auch Gabriel zu diesem Zeitpunkt noch dort war, ist unbekannt. Einige der jungen Pioniere wurden bereits vor diesem Zeitpunkt bei Pflege- bzw. Gastfamilien untergebracht. Von den 140.000 Juden in den Niederlanden gelang es ca. 25.000 unterzutauchen ohne sich offiziell anzumelden. Manche bei Verwanden und Freunden und anderen wurde durch Organisationen geholfen.
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1943 |
Wahrscheinlich war dies auch bei Gabriel der Fall. 1943 war er in Amsterdam unter folgenden Adressen gemeldet.:
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Gabriel kommt ins Vernichtungslager Sobibor und wird vergast |
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15.5.1943 |
Am 25.5.1943 wurde er wahrscheinlich im Rahmen einer Razzia aufgegriffen und ins niederländische Durchgangslager Westerbork in der Nähe von Appeldoorn gebracht. Er lebte dort bis zu seiner Deportation in der Baracke 63. Kurze Zeit später wurde
Gabriel 1.6.1943 mit 3006 anderen Insassen von Westerbork ins
Vernichtungslager Sobibor (Polen) deportiert. Nach 4-tägiger Fahrt kam
der Transport in Sobibor an. Dort wurde Gabriel unmittelbar nach seiner
Ankunft im Alter von 19 Jahren vergast. |
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Schicksal der anderen Familienangehörigen |
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1942-1944 |
Ein Jahr nach seiner Inhaftierung kam Hugo Cohen am 2.3.1942 in die „Heil- und Pflegeanstalt Bernburg“. Zwei Wochen später wurde er am 17.3.1942 im Alter von 48 Jahren vergast. Die „Heil- und Pflegeanstalt Bernburg“ war in Wirklichkeit eine Tötungsanstalt, in der Kranke, Behinderte und Insassen von Konzentrationslagern mit Kohlenstoffmonoxid in einer Gaskammer ermordet wurden. Gabriels Mutter Paula wurde vom Ghetto Riga ins KZ Stutthof gebracht und verstarb dort am 28.11.1944. Sein Großvater Abraham Cohen war kurze Zeit vorher im März 1943 nach Sobibor gebracht worden und verstarb ebenfalls unmittelbar nach seiner Ankunft. Werner blieb in Buenos Aires (Argentinien) und baute sich ein Textilunternehmen mit 250 Mitarbeitern auf. Er heiratete und hatte zwei Kinder sowie 2 Enkel. Else Cohen verzog 1939 nach Duisburg. Sie wohnte seit 1939 in der Mülheimer Str. 81 bei Lazar und seit 1941 in der Fuldastr. 1. Am 22.4.1942 wurde sie von der Gestapo "evakuiert" und ist im Ghetto Izbica (Polen) verschollen.
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Mein Dank gilt insbesondere Für die Übersetzungen ins Deutsche danke ich meiner Kollegin Weiterhin bedanke ich mich beim Jüdisch Historischen Museum in Amsterdam |
Dateiname: | coheng.htm |
Datum: | 10.10.10 |
Erstellt von: | Ruth Warrener |
Fotografien: | Stadtarchiv Goch, |