Familie Hermann Epstein

Brief von Betty Loeb (geb. Epstein) aus dem KZ Majdanek

Reinhard Schippkus,
ein Opfer von Majdanek, Dokumente zur Verfolgung, Verschleppung und Ermordung der Gocher Jüdin Betty Epstein, in: An Niers und Kendel, Historische Zeitschrift für Stadt Goch und Umgebung, Heft 19, August 1988, S. 1-13

Postkarte von Betty Loeb (geb. Epstein) aus Piaski an ihre Eltern in s'Hertogenbosch/Holland (Seite B)

 

"Piaski,19.April42

Meine lieben Alle!

Mit großer Freude erhielten wir gestern Eure erste Karte! Sehr leid tut uns, daß Ihr Pakete und Geld an Seligmann abgeschickt habt, da dieselben keine Verwendung hierfür haben und könnt Ihr nächstens alles direkt an uns senden. Uns geht es so ziemlich. Die liebe Betty und der liebe Werner sehen sehr gut aus und der liebe Werner ist den ganzen Tag in der frischen Luft mit Freunden zusammen. Wenn Ihr an die liebe Hedwig schreibt gebt Ihr Bescheid, daß Sie dem lieben Kurt unsere Adresse angibt. Ob der liebe und die liebe Gerda vom Tode des lieben Vaters schon wissen, weiß ich nicht. Jedenfalls freuen wir uns, von Euch öfter zu hören. Bleibt gesund und seid Alle herzlich gegrüßt und geküßt von Eurer Mutter.

Meine Lieben!

Wie glücklich ich war, als ich Eure Schrift sah, könnt Ihr Euch wohl denken. Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen, wir sind gesund. Schade, daß Ihr die Pakete an Seligmann geschickt habt. Hier kamen schon viele Pakete und auch Geld von dort an. Der liebe Werner sieht unbeschreiblich "

Postkarte von Betty Loeb (geb. Epstein) aus Piaski an ihre Eltern in s'Hertogenbosch/Holland (Seite A)

"Josef Löwenstein für
Betty Sara Loeb
Piaski bei Lublin
Deutsche Post Osten

 

 

Herrn
Hermann Epstein s'Hertogenbosch Silenenstraat 17

Holland

gut aus. Er ist den ganzen Tag unterwegs und fühlt sich sehr wohl. Ich will Schluß machen. Die Woche schreibe ich nochmal. Noch recht innige Küsse bin Eure Betty Meine Lieben!

Mit großer Freude empfingen wir Eure Karte und erwarten bald wieder etwas. Innige Küsse Euer Robert "
 

 

Das wirkliche Leben im KZ Majdanek

Krystyne Tarasiewicz,
die als Zeugin im Düsseldorfer Prozess aussagte,
schildert ihre Erlebnisse, die sie als Minderjährige in Majdanek hatte:

Die Kinder lebten dort unter verzweifelten Bedingungen. Einmal täglich brachte man ihnen Suppe in Kesseln, die Kinder drängten sich mit ihren Schüsseln heran, die älteren und stärkeren drängten die kleineren immer wieder zurück. Die, die schon Suppe bekommen hatten, konnten sie ebenfalls nicht in Ruhe essen, denn andere Kinder stießen sie im Gedränge, schütteten einander die Suppe aus. Die Mütter durften nicht über den Zaun zu ihren Kindern hin, um ihnen zu helfen, um sie zu füttern, denn die Posten hatten Befehl, von den Türmen herab auf jeden zu schießen, der versuchen würde, zu den Kindern zu dringen: genau wie auf jedes Kind, das dort hinausgehen wollte.

Ich erinnere mich an einen etwa fünf Jahre alten Jungen, mit großen vor Fieber und Hunger brennenden Augen. Er hieß Jureczek. Seine Mutter kam bis an den Zaun, stand ratlos da und rief von weitem: „Jureczek! Jureczek!" Er näherte sich dem Drahtzaun auf der anderen Seite und rief: „Mama! Nimm mich hier weg!" Und ich sah die ganze Verzweifelung dieser Mutter ...

Ich erinnere mich an den Tag, an dem zwei große Lastautos mit Anhängern vorgefahren waren... Natürlich waren auch eine ganze Rotte SS-Männer und Aufseherinnen da. In einiger Entfernung standen die verzweifelten Mütter und einige andere Häftlinge. Ich hatte gerade einen freien Tag nach der Nachtschicht in der Schneiderei, ähnlich wie Jureczeks Mutter, die so nahe wie möglich an den Drahtzaun gelaufen war. Als Jureczek sie gesehen hatte, drückte er die Fäustchen unter dem Kinn zusammen und rief: „Mutti! Lauf weg! Hier ist Tod, hier ist Tod! Lauf weg!"

Niemand zweifelte länger, dass diese Kinder zum Vergasen weggebracht wurden. Man begann, sie auf die Laster zu laden. Die Kinder weinten, wollten zu  ihren Müttern, die SS-Männerrissen sie von den Müttern weg und warfen sie brutal auf die Lastautos, wo sie bestialisch zusammengepfercht waren.

Dateiname: fepsteib.htm
Datum: 02.06.2005
Erstellt von: Ruth Warrener
Bilder: Stadtarchiv, Schipkus